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Felix Jaitner

Einführung des Kapitalismus in Russland. Von Gorbatschow zu Putin

Hamburg: VSA 2014; 174 S.; 16,80 €; ISBN 978-3-89965-622-0
Masterarbeit Wien; Betreuung: D. Segert. – Die Krise in der östlichen Ukraine, die Kriege in Tschetschenien, die Verwundbarkeit der Wirtschaft durch ihre Exportabhängigkeit und die alltägliche politische Repression gehören zu den Kennzeichen des heutigen Russlands. Dass dieser Zustand das Resultat bewusster politischer Entscheidungen ist, zeigt Felix Jaitner in seiner auf einer gründlichen Literaturarbeit basierenden Studie. Ausgangspunkt ist die „sowjetische Vielfachkrise“ (14) und das Scheitern der Perestroika. Damit gelang es anderen politischen Akteuren, an Einfluss zu gewinnen – sie waren durch die Rezeption neoliberaler Ideen zu der Überzeugung gelangt, das sowjetische System müsse gänzlich überwunden werden. Jaitner argumentiert, dass die Sowjetunion, in der die Teilrepubliken von Russland subventioniert wurden, selbst als Transformationshindernis gesehen und deshalb aufgelöst wurde. In den 1990er‑Jahren unter Präsident Jelzin sollte nun mit einer „‚Schocktherapie‘“ (13) die Transformation in ein kapitalistisches System bewältigt werden, wobei der Autor die neoliberalen Vorzeichen – Privatisierung der Staatsbetriebe, restriktive Geld‑ und Finanzpolitik – betont. Nach seinem Eindruck war dieser radikale Umbruch keineswegs von einem Konsens in der Bevölkerung getragen, denn sie hatte unter einer Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen zu leiden; die Mordrate stieg gravierend, die Korruption begann zu blühen. Die Regierung erklärte diese nachteiligen Auswirkungen nur damit, dass die Reformen nicht konsequent genug seien. Jaitner zeichnet nach, wie sich bereits unter Jelzin die Überzeugung festigte, die Regierungspolitik müsse – damit der Prozess unumkehrbar werde – autoritär durchgesetzt werden. Statt einer breit aufgestellten Marktwirtschaft aber etablierte sich ein wirtschaftliches System, in dem wenige die Staatsbetriebe an sich brachten; diese Oligarchen haben inzwischen mit der Regierung, die ihre schützende Hand über sie hält und nur gemeinsame Interessen erkennen will, eine neue herrschende Klasse gebildet. Jaitner spricht hier mit Joel H. Hellmann von „‚State‑capture‘“ (127). Im Ergebnis zeigt sich, dass die russische Wirtschaft entgegen der ursprünglichen Absicht nicht modernisiert wurde, als Produktionsmodell hat sich ein „partieller Ressourcenextraktivismus“ (154), der den Autor an Lateinamerika denken lässt, verfestigt. Die Durchsetzung der neoliberalen Wirtschaftspolitik mit autoritären Mitteln hat zudem, so die weitere Schlussfolgerung in der in sich stimmigen Analyse, die Entwicklung eines stabilen demokratischen Systems in Russland behindert.
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Rubrizierung: 2.622.22.222.21 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Felix Jaitner: Einführung des Kapitalismus in Russland. Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38391-einfuehrung-des-kapitalismus-in-russland_46742, veröffentlicht am 07.05.2015. Buch-Nr.: 46742 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken