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Ernst Baltrusch / Christian Wendt (Hrsg.)

Ein Besitz für immer? Geschichte, Polis und Völkerrecht bei Thukydides

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011 (Staatsverständnisse 41); 292 S.; 29,- €; ISBN 978-3-8329-5394-2
Baltrusch und Wendt haben eine große Anzahl lesenswerter Aufsätze und vor allem interdisziplinärer Interpretationen zu Thukydides’ „Peloponnesischem Krieg“ zusammengestellt. So gehen die Autoren – durchaus auch kontrovers und an einigen Stellen im Dialog miteinander – auf die Bedeutung von Thukydides’ Werk für die Geschichtswissenschaft, für die Politikwissenschaft und schließlich für das Studium des Völkerrechts und der Internationalen Beziehungen ein. Im Themenkomplex „Geschichte und Analyse“ betont Peter Spahn im Gegensatz zu einer Interpretation von Thukydides als reinem Theoretiker, dass dieser vor allem Historiker gewesen sei, wenngleich er sich in seiner Analyse theoretisch habe leiten lassen. Polly Low beschreibt Thukydides als einen Autoren mit ethischem Anspruch, gerade die Betonung des Scheiterns einer von Macht und Egoismus geleiteten Politik mache dies deutlich – Raimund Schulz hingegen führt die Niederlage Athens auf die Lernfähigkeit der Gegner zurück, die die maritime Strategie Athens erfolgreich nachahmten. Im Teil „Polis und Staat“ gehen die Autoren auf die politikwissenschaftliche Perspektive ein. So beschäftigt sich Hartmut Leppin mit der Demokratierezeption bei Thukydides und Fabian Schulz arbeitet das Bürgerkriegsmotiv als dessen zentrales Thema heraus. Im abschließenden Teil „Macht und Recht“ setzen sich die Autoren mit Perspektiven der Rechtswissenschaft und der Internationalen Beziehungen auseinander. Philipp Scheibelreiter analysiert die völkerrechtliche Terminologie Thukydides’. Hierbei zeigt sich eine dem historischen Kontext entsprechende Präferenz für das Völkergewohnheitsrecht. Kurt Raaflaub sieht eine Ausgangsposition der Gleichheit als zentral für Thukydides an. Deren Störung führe zu Aufruhr und Krieg. Christian R. Thauer sieht in der athenischen Machtpolitik die Zerstörung einer vorher existenten institutionellen internationalen Ordnung – es sei diese Politik selbst gewesen, die ihr eigenes Scheitern bewirkt habe. Klaus Meister betont in seiner Betrachtung des Rechts des Stärkeren einen Zusammenhang von Hochmut und Scheitern. Christian Wendt schließlich hebt rechtliche Aspekte in Thukydides’ Werk hervor. Insgesamt legen die Herausgeber einen lesenswerten Sammelband vor, der geeignet ist, die bestehenden disziplinären Gräben in der Thukydides-Forschung zumindest zu schmälern.
Daniel Kuchler (DK)
M.A., Politikwissenschaftler (Historiker, Linguist/Literaturwissenschaftler), Promovierender, Department of Political Science, Rockefeller College, State University of New York at Albany.
Rubrizierung: 5.31 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Daniel Kuchler, Rezension zu: Ernst Baltrusch / Christian Wendt (Hrsg.): Ein Besitz für immer? Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33874-ein-besitz-fuer-immer_40587, veröffentlicht am 27.01.2012. Buch-Nr.: 40587 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken