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Jürgen Schreiber

Die Stasi lebt. Berichte aus einem unterwanderten Land

München: Knaur Taschenbuch Verlag 2009; 224 S.; 8,95 €; ISBN 978-3-426-78251-4
Der Titel dieser Sammlung von Reportagen, die zwischen 1993 und 2006 im Tagesspiegel und in der Süddeutschen Zeitung erschienen sind, ist etwas reißerisch geraten, aber leider nicht ganz falsch. In dem Titel gebenden Beitrag schildert der Journalist, wie sich ehemalige Stasi-Offiziere in Berlin wieder aus der Deckung trauen. „Im Rückblick fällt auf, dass die Geschichtsrevision drei Monate nach Eintritt der PDS in die Berliner Regierung beginnt.“ (189) Als einsamen Kämpfer wider die Verharmlosung der DDR-Diktatur porträtiert Schreiber den Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe. Auch in den anderen Stücken zeigt sich, dass das Erbe des Staatssicherheitsdienstes wie ein Gift in die gesamtdeutsche Gesellschaft hineinwirkt. Eines der prominenteren Beispiele ist sicher der Stasi-Kontakt der inzwischen verstorbenen Schauspielerin Jenny Gröllmann, die sich juristisch mehr oder weniger erfolgreich gegen eine ehrliche Aufarbeitung dieser Kontakte wehrte – zulasten ihres ehemaligen Partners Ulrich Mühe. Außerdem beschäftigt sich Schreiber mit der Frage, ob der frühe Krebstod des Schriftstellers Jürgen Fuchs wie von diesem vermutet auf eine mutwillige radioaktive Verstrahlung während seiner Inhaftierung in der DDR zurückzuführen ist. Und in der Tat ist das „Schweigekartell“ (76), das die Beantwortung dieser Frage bisher verhindert hat, wie vom Autor beschrieben ein skandalöser Zustand. In mehreren Beiträgen schreibt er über die Aushorchung verschiedener CDU-Politiker – Walther Leisler Kiep wurde unglaubliche 30 lange Jahre ausgeforscht. Schreiber hat für seine Recherchen zahlreiche ehemalige Stasi-Offiziere getroffen und dabei eine wenn auch nicht überraschende, so doch trotzdem schaurige Erkenntnis gewonnen: „Keiner der Lamettaträger konnte mir erklären, welche Art von Gesellschaft die Verbindung von Allmachtsphantasien und Karteikarten hervorbringen, wohin ihre wahnhaften Träume führen sollten – außer in den totalen Überwachungsstaat“ (11).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jürgen Schreiber: Die Stasi lebt. München: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30763-die-stasi-lebt_36551, veröffentlicht am 02.07.2009. Buch-Nr.: 36551 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken