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Gilles Kepel

Die Spirale des Terrors. Der Weg des Islamismus vom 11. September bis in unsere Vorstädte. Aus dem Französischen von Ursel Schäfer

München/Zürich: Piper 2008 ; 360 S. ; geb., 22,95 €; ISBN 978-3-492-05264-1
Versteckt hinter einer provokativen These verbirgt sich ein informatives Buch über die Rückwirkungen des islamistischen Terrors auf Sunniten und Schiiten sowie über Europa als Schauplatz des Eintreffens muslimischer Zuwanderer in der westlichen Moderne. Der Originaltitel „Terreur et Martyre: Relever le défi de civilisation?“ trifft die streitlustige Kernaussage Kepels allerdings besser: Er identifiziert zwei „Große Erzählungen“ (10) – der Demokratie im Westen und des Märtyrertums in der islamischen Welt – und setzt sie in Analogie: Beide Diskurse seien jenseits der sie prägenden Ideologien „in Zielsetzung und Ausführung frappierend“ (24) parallel gestaltet. Der deutsche Titel ist einer Passage entlehnt, in der Kepel als Fazit seiner Analyse über „die Neokonservativen in Washington und die Neo-Khomeinisten in Teheran“ (324) schreibt, dass sie aus den Zuspitzungen ihren Nutzen zögen. Kepel meint, dass die Terroranschläge, die mit dem 11. September 2001 begannen und mit dem Irak-Krieg beantwortet wurden, nicht das Netzwerk Al Kaida stärkten, sondern die konservative Regierung in Teheran. Während die Darstellung der westlichen Großen Erzählung – so es sie denn gibt – keine neuen Erkenntnisse enthält und seit der Wahl des neuen US-Präsidenten möglicherweise einer Revision bedarf, bietet der Teil über die islamische Welt tiefe und differenzierte Einsichten. Als Theoretiker des dezentralen Terrorismus nennt Kepel den inzwischen von den USA inhaftierten Syrer Abu Mussab al-Suri und beschäftigt sich dann mit den konkreten Auswirkungen der westlich-muslimischen Spannungen auf Europa, das seiner Meinung nach „reglos“ (214) daliegt. Keines der europäischen Länder sei seinen muslimischen Einwanderern angemessen entgegen gekommen – Großbritannien sei mit seinem Gleichmut gescheitert, in den Niederlanden habe hinter einer „Kultur der Provokation“ (260) doch nur kulturelle Abschottung gestanden, in Dänemark sei nach dem Scheitern der verlangten Assimilation die Bevölkerungsmehrheit politisch nach rechts gerückt. Erstaunlicherweise beendet Kepel seine Analyse dennoch mit einem hoffnungsvollen Ausblick auf eine wohlstandsfördernde Zusammenarbeit Europas mit dem Nahen Osten.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.412.252.612.632.68 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Gilles Kepel : Die Spirale des Terrors. München/Zürich: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30557-die-spirale-des-terrors_36283, veröffentlicht am 16.07.2009. Buch-Nr.: 36283 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken