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Kathrin Behrens

Die Russische Orthodoxe Kirche: Segen für die "neuen Zaren"? Religion und Politik im postsowjetischen Rußland (1991-2000)

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2002; 417 S.; kart., 50,- €; ISBN 3-506-70794-9
Politikwiss. Diss. München; Gutachterin: M. Mommsen. - Innerhalb einer relativ kurzen Zeit avancierte die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) von einer Randerscheinung im atheistischen Sowjetreich zu einem signifikanten Akteur des postkommunistischen Russlands. Kein wichtiges staatliches Zeremoniell kann ohne den Patriarchen Aleksij II. stattfinden. Eine Symbiose von politischer Macht und Religion hat sich entwickelt; die ROK erscheint fast im Range einer Staatskirche. Wie sich dieser Wandel vollzog und welche Rolle die ROK im heutigen russischen Staatswesen spielt, untersucht Behrens wissenschaftlich sehr fundiert und sprachlich eloquent. Ihre These lautet, dass in einem Tranformationsland - wie es die Russländische Föderation ist - eine Religion oder eine Kirche mit ihrem Wertesystem sehr gut als Legitimitäts- und Stabilitätsfaktor von Interessen dienen kann. So arbeitet die Wissenschaftlerin heraus, dass die Hauptfunktion der ROK im heutigen Russland in der Sinnstiftung der nationalen Identität liegt. Die Orthodoxie kreiert ein eigenes russisches Weltbild mit starken religiösen und hierarchischen Elementen. Damit verbunden ist umgekehrt die Instrumentalisierung der ROK als Stifterin politischer Legitimität. „Sie übt damit die Ersatzfunktion gegenüber einer fehlenden effizienten Demokratie und dem mangelnden Vertrauen der Gesellschaft in deren Institutionen, Verfahrensweisen und gewählten Repräsentanten aus." (369) Politische Akteure benutzen die ROK wiederum als Kulisse für öffentliche Inszenierungen. Ihr Segen ist Insigne der Staatsmacht. In dieser gemeinsamen Umarmung von Kirche und Staat sei der Beitrag der Orthodoxie zur Herausbildung einer demokratischen politischen Kultur und einer Zivilgesellschaft eher gering. Inhaltsübersicht: II. Die orthodoxe Kirche im alten Russland und in der Sowjetunion; III. 1991-1993: Die ROK zwischen Triumph und Niederlage; IV. 1994-1997: Die ROK auf dem Weg zur Staatskirche?; V. 1998-2000: Widersprüchliche Signale für das neue Jahrtausend; VI. „Alter Wein in neuen Schläuchen?" Rolle und Funktion der ROK im postkommunistischen Russland.
Wilhelm Johann Siemers (SIE)
Dipl.-Politologe, Journalist, Redakteur der Sprachlernzeitschrift vitamin de, Florenz.
Rubrizierung: 2.62 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Johann Siemers, Rezension zu: Kathrin Behrens: Die Russische Orthodoxe Kirche: Segen für die "neuen Zaren"? Paderborn u. a.: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/18239-die-russische-orthodoxe-kirche-segen-fuer-die-neuen-zaren_21089, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 21089 Rezension drucken