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Alessandro Pelizzari

Die Ökonomisierung des Politischen. New Public Management und der neoliberale Angriff auf die öffentlichen Dienste

Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2001 (Raisons d'agir 6); 198 S.; brosch., 10,12 €; ISBN 3-89669-998-9
Lean Management, Outsourcing und Benchmarking sind nicht nur betriebswirtschaftliche Konzepte, sondern sie haben unter dem Schlagwort New Public Management (NPM) längst alle Ebenen der staatlichen Verwaltung erreicht. Im Kern geht es darum, angesichts leerer Staatskassen Kosten zu minimieren oder mit einer gleichen Menge von Ressourcen effizienter umzugehen. Um dies zu realisieren, soll der öffentliche Sektor privatwirtschaftliche Unternehmensstrukturen übernehmen: Die Verwaltung wird zum Konzern, die Regierung zur Konzernleitung, die Abteilungen werden zum Profitcenter umfunktioniert, die Bürger sind plötzlich Kunden und die Leistungen der Amtsstuben heißen neuerdings Produkte. Die Vorteile dieser Umwandlung des Staates zum modernen Dienstleistungsunternehmen liegen auf der Hand: Entlastung der öffentlichen Budgets bei gleichzeitiger Zufriedenheit der Bürger mit den Leistungen ihres Staates. Weniger rosig sieht dies Pelizzari. Für ihn ist New Public Management "das Projekt einer neoliberalen Gegenreform in den öffentlichen Diensten" (20). Die Strategie von NPM laufe auf eine Ökonomisierung staatlichen Handelns hinaus. Diese Verengung des Politischen hat diskriminierende Folgen: "Der Imperativ der Rentabilität drängt dazu, die kaufkräftige Nachfrage gegenüber den Rechtsansprüchen zu privilegieren. Nicht alle Bürgerinnen und Bürger werden je den Status von umworbenen 'Kundinnen' oder 'Kunden' erreichen, nicht die Entmündigten, nicht die Strafgefangenen, nicht die papierlosen Ausländerinnen und Ausländer." (19 f.) Seine Einschätzung belegt der Autor anhand der Folgen bei der praktischen Realisierung von NPM in dem politisch wie ökonomisch bedeutendsten Schweizer Kanton Zürich. Seine empirischen Ergebnisse verbindet Pelizzari mit den Theorieelementen der Finanzsoziologie. Dabei stöbert er die wichtigsten Schweizer Denkfabriken auf, die zur Produktion und Verbreitung des Gedankengutes von New Public Management maßgeblich beitragen. Anders als die Verfechter von NPM plädiert Pelizzari dafür, die Finanzknappheit des Staates nicht ausschließlich als politisches Fehlprodukt zu interpretieren, sondern als generelle Krise des ökonomischen Systems zu erkennen. Hinsichtlich einer Alternative zum New Public Management wird der Assistent der Soziologie und Wirtschaftsgeschichte in Brasilien fündig. 1989 wurde in Porto Alegre das so genannte Partizipative Budget eingeführt. Nicht Technokraten oder Betriebswirte entscheiden über die öffentlichen Investitionen, sondern rund 1,3 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Ob sich das dort bewährte Verfahren einfach auf den Kanton Zürich übertragen ließe, bleibt offen. Inhaltsübersicht: Sébastien Guex: Über Jargon und Finanzsoziologie (9-16); 1. Vom Service Public zum modernen Dienstleitungsunternehmen; 2. Verwaltungswissenschaftliche Wissenschaftsproduktion und Reformeliten; 3. Finanzpolitik und gesellschaftspolitische Gegenreformen im Kanton Zürich; 4. NPM oder Service Public - zwei gegensätzliche Gesellschaftsmodelle.
Wilhelm Johann Siemers (SIE)
Dipl.-Politologe, Journalist, Redakteur der Sprachlernzeitschrift vitamin de, Florenz.
Rubrizierung: 2.21 | 2.5 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Johann Siemers, Rezension zu: Alessandro Pelizzari: Die Ökonomisierung des Politischen. Konstanz: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/15215-die-oekonomisierung-des-politischen_17291, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 17291 Rezension drucken