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Christina Trittel

Die Landtagsfraktionen in Sachsen-Anhalt von 1946 bis 1950. Analyse des landespolitischen Handelns und der Handlungsspielräume kollektiver Akteure in der werdenden DDR. Mit einem Geleitwort von Everhard Holtmann

Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2006 (Sozialwissenschaft); XXIII, 297 S.; brosch., 39,90 €; ISBN 978-3-8350-6037-1
Diss. Halle-Wittenberg; Gutachter: E. Holtmann, R. Saage. – Nach freien Wahlen konstituierte sich 1946 der erste Landtag in Sachsen-Anhalt. Die SED verfehlte die von ihr angestrebte absolute Mehrheit und errang einen Sitz weniger als LDP und CDU zusammen. Dieser Landtag habe „eine Reihe von formellen Regeln und Strukturmerkmalen klassisch-demokratischer Parlamente“ (X) aufgewiesen, schreibt Trittel. Und aus Sicht vieler Zeitzeugen sei die weitere politische Entwicklung offen gewesen. Die damalige Landesverfassung habe sich zwar nicht zur parlamentarischen Demokratie bekannt, aber auch keine andere Entscheidung getroffen. Trittel analysiert die Zusammensetzung der Landtagsfraktionen und deren Handlungsspielräume unter dem Eindruck sich stetig verändernder Rahmenbedingungen. Ähnlich wie in den anderen Ländern der SBZ wurde auch in Sachsen-Anhalt eine Allparteienregierung gebildet, womit sich die SED gegen politische Zusammenschlüsse anderer Parteien schützen wollte. Tatsächlich sei es ihr gelungen, den Entscheidungsprozess zu dominieren, schreibt Trittel. Umgesetzt worden seien vor allem zentrale Vorgaben. „Für die SED-Abgeordneten gab es weder im innerfraktionellen noch im parlamentarischen Willensbildungsprozeß Möglichkeiten, entgegen der Gesamtfraktion zu handeln.“ (277) Überhaupt habe die SED die parlamentarische Rede- und Verhandlungsfreiheit nicht als einen zu schützenden Wert angesehen. Zwar sei auch in der LDP und in der CDU die Fraktionsdisziplin hoch bewertet, ein abweichendes Stimmverhalten aber meistens hingenommen worden. Die SED habe trotz der Allparteienregierung allerdings die Erfahrung machen müssen, dass sich die auf demokratische Wahlen zurückgehenden Kräfteverhältnisse ungünstig auf ihre eigenen Handlungsspielräume auswirken konnten. Die Entscheidungen der sowjetischen Besatzungsmacht und der Kompetenzzuwachs zentraler Gremien schränkten deshalb den Spielraum des Landtags immer weiter ein. Am Ende der ersten Legislaturperiode im Oktober 1950 hatte er seinen Charakter als politisch effektive Institution eingebüßt.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Christina Trittel: Die Landtagsfraktionen in Sachsen-Anhalt von 1946 bis 1950. Wiesbaden: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/26858-die-landtagsfraktionen-in-sachsen-anhalt-von-1946-bis-1950_31341, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 31341 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken