Kaum ein Begriff der politisch-sozialen Sprache ist so schillernd wie der der Bürgergesellschaft. Wer deshalb über Bürgergesellschaft reflektiert, muss zunächst eine begriffliche Klärung vornehmen. Friedrich Fürstenberg, einer der Altmeister der deutschen Soziologie, liefert eine ebenso tragfähige wie zielführende Definition: Das Leitbild einer Bürgergesellschaft „charakterisiert eine Lebensform, die auf der Grundlage unveräußerlicher Grundrechte von eigenverantwortlich und solidarisch handelnden, am öffentlichen Leben aktiv teilnehmenden Personen und Gruppen mitgestaltet wird” (8 f.). Es geht also um die „transpersonale Regelung sozialer Beziehungen” (9). Für eine zumal im verstärkten Strukturwandel befindliche Gesellschaft bietet dies vielversprechende Entwicklungschancen. Herausforderungen bestehen u. a. in der Kontrolle der Funktionärs- und Expertenmacht oder in der Ökonomisierung und Technisierung des Alltags mit daraus resultierenden asymmetrischen Lebensverhältnissen. Das erfordert ein neues soziales Handeln, dessen Grundpfeiler verstärkte Eigenverantwortung und Selbstorganisation sein müssen. Zweckmäßige sozialkulturelle Verhaltensstandards hat die europäische Ideengeschichte seit der Antike entfaltet: Humanität, Gerechtigkeit und Solidarität. Eine auf dieser Grundlage handelnde Bürgergesellschaft kann den Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe am ehesten einlösen. Um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, „sollten umfassend Mitwirkungspotenziale gefördert und durch sachlich-funktionale, kulturspezifische und allgemein persönlichkeitsfördernde Bildungsimpulse ergänzt werden” (180).