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Martin Kunde

Der Präventivkrieg. Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2007 (Schriften zum Staats- und Völkerrecht 125); XVI, 252 S.; brosch., 45,50 €; ISBN 978-3-631-56030-3
Mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 in den USA ist das Konzept der präventiven Selbstverteidigung („preemptive self-defense“) in die außen- und sicherheitspolitische Diskussion zurückkehrt. Es prägt heute wesentlich das außenpolitische Handeln der USA und hat eine neuartige intensive Kontroverse im politikwissenschaftlichen und völkerrechtlichen Schrifttum, aber auch in den Feuilletons erzeugt. Kunde liefert dazu eine ideengeschichtliche Betrachtung des sogenannten Präventivkrieges. Im Mittelpunkt steht die These, dass es in der völkerrechtlichen Beurteilung des Präventivkrieges eine bis zu den Anfängen der modernen Völkerrechtswissenschaft reichende Kontinuität gibt. Fraglich ist aber, ob neuere Konzepte, wie sie zum Beispiel in der auch als „Bush-Doktrin“ bekannt gewordenen Nationalen Sicherheitsstrategie (NSS) der USA vom September 2002 auftauchen, damit brechen. Dies wird bejaht, denn sie übergeht Grundsätze des jahrhundertealten antizipatorischen Selbstverteidigungsrechtes (z. B. die Voraussetzung eines zeitlich unmittelbar bevorstehenden Angriffs oder die Gewissheit einer Angriffsabsicht des Gegners). Der Autor weist nach, dass es sich nicht nur um eine Neuinterpretation des bestehenden Rechts handelt, sondern um die Forderung nach einem Rechtswandel, die zudem durch die NSS 2006 noch bekräftigt wurde. Normativ bedeutet dies, dass die rechtliche Eingrenzung des Selbstverteidigungsrechtes verschwindet und eine subjektive, von der Staatengemeinschaft nicht überprüfbare Entscheidung über den Gewalteinsatz an ihre Stelle tritt. Damit droht in der Endkonsequenz eine vollständige Erosion des völkerrechtlichen Gewaltverbots. Gezeigt wird schließlich auch, dass der Irak-Krieg des Jahres 2003 nicht mit dem Recht auf präventive Selbstverteidigung, sondern unter Bezugnahme auf verschiedene Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gerechtfertigt worden ist. Somit ist eine Änderung des entsprechenden Völkergewohnheitsrechtes durch die „Bush-Doktrin“ zwar angestoßen worden. Mangels breiter Zustimmung der Staatengemeinschaft hat sie sich aber bisher noch nicht vollzogen.
Thomas Henzschel (TH)
Dr., Auswärtiges Amt, Arbeitsstab Iran.
Rubrizierung: 4.1 | 4.22 | 2.64 Empfohlene Zitierweise: Thomas Henzschel, Rezension zu: Martin Kunde: Der Präventivkrieg. Frankfurt a. M. u. a.: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27561-der-praeventivkrieg_32340, veröffentlicht am 03.12.2007. Buch-Nr.: 32340 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken