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Walter Schilling

Der Niedergang Europas

Stuttgart: ibidem-Verlag 2014; 209 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-8382-0736-0
Niedergangsszenarien für Europa sind derzeit en vogue. Dabei ist das Krisennarrativ fast schon konstitutiv für den europäischen Integrationsprozess. Walter Schillings Anliegen ist aber weiter ausholend und kommt als allumfassender Welterklärungsansatz daher, der stellenweise belehrend, stellenweise eigentümlich kritisch‑konservativ, aber im Grunde genommen doch konventionell bleibt und kaum neue Aspekte oder Perspektiven auf die Problematik bereithält. Mit Blick auf die gegenwärtige Weltlage wählt Schilling als Ausgangspunkt die Frage, „ob die Vorstellung von einer herausragenden und prägenden Rolle der Europäischen Union eine Selbsttäuschung ist“ (7). Die wenig überraschende Antwort liefert der Autor in einer Vorwegnahme gleich eine Seite weiter, sodass man das Buch eigentlich dann schon zur Seite legen könnte: „Alle Indikatoren deuten darauf hin, dass die Europäer nicht in der Lage sein werden, angemessene Antworten auf die entscheidenden Herausforderungen der Gegenwart und der überschaubaren Zukunft zu finden.“ (8) Im Folgenden werden dann in einzelnen Abschnitten besagte Indikatoren für diese These in Einzelanalysen näher beleuchtet. Ausgehend von der Finanz‑ und Wirtschaftskrise polemisiert Schilling gegen die bei ihm sehr weitgefasste Gruppe der „linksextremen Kapitalismuskritiker“ (9) sowie die „ökonomisch ungebildeten Bevölkerungen“ (10), die die Krise nicht richtig verstanden und gedeutet haben und sich stattdessen in Empörungselogen ergehen. Als eigentlich Schuldigen der Krise macht Schilling das Weiße Haus, Bill Clinton und damit die Politik aus. Anschließend wendet er sich „Europas Position im Weltstaatensystem“ (37) zu. Auch diese Teilanalyse fällt ernüchternd aus. Zu Recht kritisiert Schilling die Schwächen der europäischen Außenpolitik. Zudem beobachtet er in Südeuropa Formen einer „De‑Industrialisierung“ (53), die eine weitere Destabilisierung dieser Systeme begünstigt. Ärgerlich an diesen Darstellungen ist, dass Schilling seine Argumentation zwar durchaus mit empirischem Datenmaterial unterlegt, aber – wie im ganzen Buch – keine einzige Quellenangabe anführt. Nicht nur mit Blick auf den Status quo sieht Schilling schwarz. Vielmehr sei ein fortschreitender Machtverlust Europas vorprogrammiert – alleine aufgrund der absehbaren soziodemografischen und ‑ökonomischen Entwicklungen, die in der Tat nur partiell politisch beeinflussbar sind. Am Ende beklagt Schilling, dass es „in Europa keine realitätsnahe Vision für die Zukunft“ (201) gebe, vielmehr sei der Niedergang nahezu unumgänglich und „schwer kontrollierbare Unruhen“ (205) seien die Folge. Solche Aussagen zeigen einmal mehr, dass es für Untergangspropheten immer einfach ist, „der“ Politik pauschal „mangelnde Kompetenz“ (182) oder „Realitätsferne“ (192) zu unterstellen. Alternative Visionen werden von solchen Autoren – wie auch in diesem Fall – leider selten präsentiert.
{HS}
Rubrizierung: 3.12.613.53.6 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Walter Schilling: Der Niedergang Europas Stuttgart: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38990-der-niedergang-europas_46733, veröffentlicht am 22.10.2015. Buch-Nr.: 46733 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken