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Alexander Rahr

Der kalte Freund. Warum wir Russland brauchen: Die Insider-Analyse

München: Carl Hanser Verlag 2011; XIII, 298 S.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-446-42438-8
In der Wahrnehmung der westlichen Medien hat sich Russland in der Vergangenheit nicht nur durch autoritäre Strukturen, sondern vor allem durch ein diplomatisch ungeschicktes Verhalten hervorgetan, was sowohl im Westen als auch in Teilen des postsowjetischen Raumes die alten Ängste vor einer Konfrontation und vor einer allzu großen Abhängigkeit in Erinnerung gerufen hat. Alexander Rahr stellt dem in seiner Studie nun die russische Perspektive gegenüber, aus der sich nicht nur der Wunsch nach Gleichberechtigung, sondern auch ein (berechtigtes) Drängen auf Einhaltung der bestehenden Verträge – etwa im Falle der Gaslieferungen an Kiew – ablesen lässt. In einer bisweilen sprunghaften Argumentation beantwortet der Autor in 13 Kapiteln unter anderem Fragen zur Bedeutung Russlands für den postsowjetischen Raum, für Europa und insbesondere für Deutschland, zur Rolle des Energiesektors für das gesamtwirtschaftliche Gefüge, zur innenpolitischen Konstellation zwischen Putin und Medwedew, zum Stimmungsbild in der russischen Bevölkerung sowie zu den Aussichten auf eine eurasische Option und die Wiedererrichtung des verloren gegangenen Imperiums. Am Ende steht anstatt eines Fazits ein spannendes, wenngleich auch überzeichnetes Szenario einer Oktoberrevolution im Jahr 2017, das die gesammelten Positionen und Erkenntnisse drastisch vereint und resümiert. Neben den unbestreitbar vertieften Kenntnissen Rahrs finden sich in dem auf dünner Quellenlage basierenden Band jedoch auch zahlreiche politisch-plakative Floskeln und moralische Positionen, die einer wissenschaftlichen Begründung harren, etwa wenn er das Wachsen der EU über die ukrainische Grenze hinaus als alternativlos bezeichnet oder er davon spricht, dass Russland durch den Klimawandel und die damit möglich werdende agrarische Nutzung Ostsibiriens sein demografisches Problem lösen könne. Alles in allem sind in der Studie jedoch sämtliche aktuellen Fragen und Probleme versammelt, wobei die stete Gegenüberstellung verschiedener Positionen aus Ost und West auch den Untertitel „Warum Russland den Westen braucht” erlaubt hätte.
Michael Vollmer (MV)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, TU Chemnitz.
Rubrizierung: 2.62 | 2.2 | 2.21 | 2.22 | 4.41 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Michael Vollmer, Rezension zu: Alexander Rahr: Der kalte Freund. München: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21750-der-kalte-freund_41418, veröffentlicht am 05.04.2012. Buch-Nr.: 41418 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken