Islamwiss. Magisterarbeit Tübingen. – Die „Protokolle der Weisen von Zion“ bilden seit jeher einen zentralen Bezugspunkt antisemitischer Propaganda. Der Text selbst, seine Bedeutung für den Nationalsozialismus oder heutige rechtsextreme Bewegungen sind gut erforscht. Über die Rezeption in der muslimischen Welt liegen indes nur wenige Erkenntnisse vor. Die Islamwissenschaftlerin Carmen Matussek leistet hier wichtige Pionierarbeit. Auf Forschungsreisen nach Israel und Ägypten wertete sie Quellen aus, die sowohl TV‑Material, Internet‑ und Printerzeugnisse als auch verschiedene Ausgaben der „Protokolle“ umfassen. Zudem führte sie Interviews mit Wissenschaftlern der Region. Matussek zeigt, dass wesentliche verschwörungstheoretische Inhalte des Textes in arabischen Ländern, aber auch in Malaysia und der Türkei äußerst weit verbreitet sind. Auch werden die „Protokolle“ von staatlicher Seite – zum Beispiel in Schulbüchern – als authentisch bezeichnet, in der Bibliothek von Alexandria waren sie gar zeitweise als „Heiliges Buch“ (27) der Juden ausgestellt. Mitunter wird zwar eingeräumt, dass die „Protokolle“ eine Fälschung sind, gleichzeitig aber behauptet, dass die Dokumentation der realen (sic!) jüdischen Weltverschwörung viel wichtiger sei. Die Autorin erörtert mögliche Ursachen, warum derart plumpe judenfeindliche Propaganda von großen Teilen der Bevölkerungen für glaubwürdig befunden wird. Sehr deutlich werden insbesondere die Bezüge zum Nahostkonflikt sowie zum Islamismus. Matussek kommt zu dem Schluss, dass die „Protokolle“ als „lebendiges Dokument“ (118) einen bislang unterschätzten Einfluss auf die Politik der Region haben. Der Glaube an eine jüdische Verschwörung mit dem Ziel der Weltherrschaft wurde und wird demnach von den politischen Führungen der Länder gezielt geschürt und von vielen Menschen bereitwillig in das eigene Weltbild eingefügt. Für die Bemühungen um eine demokratische und friedliche Entwicklung arabischer Länder bedeutet dies nach Ansicht der Autorin eine enorme Hypothek.