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Daniel Bogner

Das Recht des Politischen. Ein neuer Begriff der Menschenrechte

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (Edition Moderne Postmoderne); 332 S.; kart., 34,99 €; ISBN 978-3-8376-2605-6
Daniel Bogner unternimmt den Versuch, ein neues Verständnis, eine neue analytische Praxis der Menschenrechte für die globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts zu entwerfen. Auf der Grundlage einer Analyse des französischen Kolonialkrieges in Algerien (1954‑62) entwickelt er eine Perspektive auf die „Wirklichkeit der Menschenrechte“, die über eine weit verbreitete historisch‑genealogische Auseinandersetzung mit deren globalen Entwicklung hinausreicht: „Was geschieht mit den Ansprüchen der Menschenrechte, sobald sie einmal in der Welt sind? Wie lässt sich die Wirkungsweise der Menschenrechte im konkreten politisch‑sozialen Alltag angemessen verstehen?“ (9) Mit diesen Fragen formuliert Bogner implizit die zentrale Hypothese seiner Studie. Sie lautet, dass die historisierende Betrachtung der Menschenrechte dem Gegenstand nicht gerecht zu werden vermag, wenn sie von den jeweiligen Konkretisierungen ihrer Durchsetzung, Anwendung, aber auch Missachtung absieht. Die sich hieraus ergebende Problematik von – wie Hans Joas das genannt hat – Geschichte und Geltung in ihrer gemeinsamen Beziehung macht in der Folge und nach erfolgter Rekapitulation der Menschenrechtsgeschichte das Besondere des Buches aus: „Das Proprium dieser Untersuchung besteht darin“, so Bogner, „dass der Frage nach der Verarbeitung normativer Ansprüche unter dem Fokus subjektiver Erfahrung methodische Bedeutung eingeräumt wird.“ (67) Die subjektive Erfahrung integriert er, indem er Augenzeugenberichte aus dem Kontext seines Fallbeispiels detailliert entfaltet – etwa den autobiografischen Bericht des im Verbindungsbereich von Militär und Geheimdienst tätigen, erst 2013 verstorbenen französischen Generals Paul Aussaresses. Er war, obwohl eigentlich Fallschirmjäger, als Nachrichtendienstoffizier Angehöriger des französischen Auslandsgeheimdienstes. Als solcher hat er – wie er in einem Interview mit Le Monde im Jahre 2000 erstmals öffentlich bestätigt hat – an systematischen Folterungen militärischer wie politischer Gegner teilgenommen und versucht, diese durch ebensolche Praktiken auf Seiten etwa der FLN zu legitimieren. Bogner zeigt, wie sehr Aussaresses und andere den Rechtsstaat als „fremdes Gesetz“ (94) begreifen und sich selbst in der Verantwortung sehen, einen eigenen, für sich und die eigene Situation passenden Handlungsrahmen zu definieren. Angesichts dieses und ähnlicher Fälle aus der realen Welt bedarf es in der Tat einer neuen „Hermeneutik des Politischen“ (319), die – etwa in Anlehnung an die Philosophie Maurice Merleau‑Pontys – in der Lage ist, theoretische Forderungen und deren praktische Umsetzungen wie Negationen zusammenzudenken.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.424.414.15.442.67 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Daniel Bogner: Das Recht des Politischen. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37648-das-recht-des-politischen_45801, veröffentlicht am 09.10.2014. Buch-Nr.: 45801 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken