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David Eugster / Sibylle Marti (Hrsg.)

Das Imaginäre des Kalten Krieges. Beiträge zu einer Kulturgeschichte des Ost-West-Konfliktes in Europa

Essen: Klartext 2015 (Frieden und Krieg 21); VII, 298 S.; brosch., 29,95 €; ISBN 978-3-8375-1275-5
Der Band versammelt Beiträge der interdisziplinären Tagung „Kultur des Kalten Krieges“, die im Sommer 2012 in Zürich stattfand. Sie stammen von Autorinnen und Autoren, die größtenteils zu literaturwissenschaftlichen und kulturhistorischen Themen arbeiten und weniger auf Ereignisse und Akteure des Kalten Krieges fokussiert sind, sondern „auf symbolische Strukturen und die mit diesen verbundenen Praktiken und materiellen Dimensionen“ (4). Gemeinsam ist allen Beiträgen „die Annahme, dass das Imaginäre einen konstitutiven und konstituierenden Anteil an der Ausprägung und dem Verlauf des Kalten Krieges aufwies“ (6). Im Fokus stehen Begründungs‑ und Deutungsmuster sowie deren gesellschaftliche Wirkmacht: Metaphorik, Sozialfiguren, bisweilen auch Feindbilder und deren (Re‑)Produktion. Klar grenzen Eugster und Marti dabei den Band in ihrer Einleitung von der politikwissenschaftlich dominierten Forschung ab, in der ja meist „geopolitische Konfliktsituationen analysiert“ (4) würden. Tatsächlich ist die Mehrzahl der Beiträge, etwa zum ostdeutschen Dokumentarfilm über die Volksrepublik China oder zum gemeinsamen Singen als emotionale Praxis in der frühen DDR, aus politikwissenschaftlicher Sicht allenfalls am Rande relevant. Zu den Ausnahmen zählt der lesenswerte Aufsatz des Historikers Philipp Sarasin zur Konjunktur von Begriffen wie „Abendland“ und „Westen“ im Kalten Krieg. Für die „politisch‑ideologische Aufladung“ dieser Begriffe sei der Kalte Krieg die entscheidende Phase gewesen – als „ein Krieg der Grenzziehung, der physischen und ideologischen Trennung von zwei Welten“ (20). Zur Untermauerung dieser These zieht er unter anderem Häufigkeitsverteilungen im „Google Books Ngram Viewer“ heran, also Analysen digitalisierter Bücher, in diesem Fall zur Thematisierung zentraler Begriffe wie „Abendland“ oder „christian civilisation“ zwischen den Jahren 1800 und 2000. Daran wird eine Hochkonjunktur der Begriffe in der Frühphase des Kalten Krieges sichtbar, die Sarasin als entscheidende Phase für die Herausbildung einer „westlichen“ Identität charakterisiert. Auch wenn seine Argumentation mit Verlaufskurven freilich angreifbar ist, zeigt er doch beispielhaft, dass „der Kalte Krieg nicht als einheitliche Epoche mit kontinuierlichen Konfliktmustern verstanden werden“ (42) kann.
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Rubrizierung: 2.232.3142.52.44.1 Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: David Eugster / Sibylle Marti (Hrsg.): Das Imaginäre des Kalten Krieges. Essen: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38559-das-imaginaere-des-kalten-krieges_46462, veröffentlicht am 25.06.2015. Buch-Nr.: 46462 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken