Cassirers politische Philosophie. Zwischen allgemeiner Kulturtheorie und Totalitarismus-Debatte
Das Buch gliedert sich in drei Teile: Zunächst gibt Parkhomenko einen Überblick über die Totalitarismustheorien des zwanzigsten Jahrhunderts (im Mittelpunkt stehen Arendt und Friedrich/Brzezinski), es folgt die Darstellung des politischen Denkens Cassirers und schließlich wendet sich der Autor dessen Bedeutung für die Gegenwart zu. Parkhomenko versteht Cassirers posthum veröffentlichte politiktheoretische Schrift „Vom Mythus des Staates“ als Totalitarismustheorie eines Außenseiters, der mit seiner kulturphilosophisch-ideengeschichtlichen Perspektive der politologischen Forschung weitgehend fremd gegenübersteht. Das Verdienst des Buches ist es zunächst, auf den Zusammenhang zwischen den frühen Schriften und dem Spätwerk sowie auf die Signifikanz geistesgeschichtlicher Totalitarismustheorien hinzuweisen. Ob die ideengeschichtlichen Studien zur Vorgeschichte der Diktaturen wirklich so marginalisiert sind, weil die Politikwissenschaft nur empirisch-deskriptiv vorgeht, wie es Parkhomenko suggeriert, ist fraglich – man denke an die breite Arendtrezeption, aber auch an Autoren wie Voegelin, Strauss, Heller, Popper, Horkheimer und Adorno. Die Frage, ob der Ansatz von Cassirer, der den Faschismus in den Mittelpunkt stellt und den Mythos des Staates als Krise der Moderne bzw. als (romantische) Pathologie des Symbolischen versteht, sich im Sinne der Totalitarismustheorie operationalisieren lässt, wird leider im letzten Kapitel lediglich angedeutet. In diesem äußerst informativen Abschnitt zur Totalitarismusforschung in Russland versucht Parkhomenko, Parallelen zwischen Cassirers Beurteilung des Nationalsozialismus und der Einschätzung neuerer politologischen Forschung aufzuzeigen.