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Omar Barghouti

Boykott – Desinvestment – Sanktionen. Die weltweite Kampagne gegen Israels Apartheid und die völkerrechtswidrige Besatzung Palästinas

Köln: ISP 2012; 232 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-89900-136-5
Omar Barghouti formuliert – das sei gleich zu Beginn klargestellt – eine politische Intervention, keine politikwissenschaftliche Studie. Sie steckt voller Fragen und diese können, ebenso wie die Antwortfragmente, nur vor dem Hintergrund dieser gewollten Polemisierung gelesen werden. Dies gilt etwa für die im Zusammenhang mit dem Israel‑Palästina‑Konflikt aufgeworfene Frage, ob die israelische Demokratie seit dem Libanon‑Krieg Gefahr läuft, zu einem faschistischen Staat zu degenerieren. Im Kern geht es Barghouti jedoch um die Analyse der Implementierung internationaler zivilgesellschaftlicher Boykottmaßnahmen gegen Israel infolge der letzten Zuspitzung des Konflikts mit den Palästinensern. Inwieweit sind Handels‑ und Austauschrestriktionen im kulturellen wie im wissenschaftlichen Bereich geeignete Instrumente, um eine Konfliktpartei zur Einhaltung von internationalem Völkerrecht oder eigener politische Versprechungen zu drängen, noch dazu, wenn der Konflikt asymmetrisch angelegt ist? Die Antwort auf dieses Problem bleibt Barghouti genauso schuldig wie die auf so viele andere von ihm aufgeworfene, potenziell interessante Fragestellungen. Darin liegt insoweit eine gewisse Systematik, weil all die Fragen eigentlich keine sind – allerhöchstens sind sie rhetorischer Natur. Denn vor dem Hintergrund der hier dominierenden politisch‑polemischen Zuspitzung – Israel ist der Apartheidstaat der Gegenwart, ist der Hort des Staatsterrorismus, ist die Verkörperung von Ungerechtigkeit und permanentem Rechtsbruch, ist die Inkarnation von Unterdrückung, die palästinensische Seite hingegen ist nur Opfer, allerhöchstens politisch etwas unbedarft – ist die Antwort auf alle Fragen von vornherein klar: Israel ist schuld. – Interessant wäre es zu erfahren, wie Barghouti den politisch instrumentalisierten Selbstmordattentäter bewertet, der sich in einem von Frauen, Kindern und anderen Zivilisten voll besetzten Linienbus in die Luft sprengt? Das müsste doch dann ein Freiheitskämpfer sein, oder? – Wenn das also die politische Arithmetik ist, der Barghouti folgt, dann ist damit auch der analytische Wert des Buches umrissen. Vielleicht taugt es allerhöchstens dazu, ein Zeugnis darüber abzulegen, wie tief die Gräben nach sechs Jahrzehnten des Konflikts schon geworden sind, wie blind Hass, Wut und Verzweiflung die Menschen auf beiden Seiten gemacht haben müssen.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.63 | 2.22 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Omar Barghouti: Boykott – Desinvestment – Sanktionen. Köln: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34689-boykott--desinvestment--sanktionen_41694, veröffentlicht am 13.02.2013. Buch-Nr.: 41694 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken