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Emmerich Tálos / Wolfgang Neugebauer (Hrsg.)

Austrofaschismus. Politik - Ökonomie - Kultur. 1933-1938

Münster: Lit 2005 (Politik und Zeitgeschichte 1); 436 S.; 5., völlig überarb. und erg. Aufl.; brosch., 19,90 €; ISBN 3-8258-7712-4
Wie ist die 1933 etablierte österreichische Diktatur zu charakterisieren? Der gängige Begriff „Ständestaat“ sei zu eng und unzutreffend, meinen die Herausgeber, die Bezeichnung sei zudem „der Selbstdarstellung der damals herrschenden Elite“ (1) zu verdanken. Nach 1945 sei die Wahrnehmung dieser Diktatur aber durch die Phase der anschließenden nationalsozialistischen Herrschaft überlagert worden, was bis in die Gegenwart einen wissenschaftlichen Dissens über ihren tatsächlichen Charakter zur Folge habe. In Kapiteln über Konstituierung, Selbstverständnis und Akteure, über die Verfassungsordnung und politische Wirklichkeit sowie zur politischen Gestaltung und wirtschaftlichen und sozialen Realität analysieren die Autoren daher diese Diktatur genauer; die Themen reichen von der Ideologie über den Antisemitismus und den Repressionsapparat bis zum Sport. Teilweise handelt es sich um aktualisierte Neufassungen der Arbeiten, die in der vorherigen Auflage von 1988 publiziert wurden, außerdem ist eine große Anzahl neuer Beiträge hinzugekommen. Dabei zeigt sich, dass die Berufsstände tatsächlich nicht das wesentliche Strukturmerkmal waren. Es war zwar beabsichtigt, über diese Zusammenschlüsse Konflikte innerhalb einer kapitalistischen Ordnung zu verhindern; tatsächlich bestanden sie aber vor allem als Idee auf dem Papier. In seinem Resümee bezeichnet Tálos die österreichische Diktatur als einen „Imitationsfaschismus“ (406), der aber keinesfalls harmlos gewesen sei. Diese Diktatur habe auf mehreren Ebenen gravierend eingegriffen, Juden diskriminiert, Frauen aus der Politik ausgeschlossen und die Sozialdemokratie zerschlagen. Eine Einordnung nur als autoritäres System wäre daher unzureichend, gleichzeitig aber seien – trotz deutlicher Einflüsse – Unterschiede zum italienischen und deutschen Faschismus festzustellen. Die österreichische Diktatur sei aufgrund ihrer Besonderheiten daher als ein eigener „Austrofaschismus“ zu definieren. Aus dem Inhalt: I. Konstituierung – Selbstverständnis - Akteure Emmerich Tálos / Walter Manoschek: Zum Konstituierungsprozeß des Austrofaschismus (6-25) Anton Staudinger: Austrofaschistische „Österreich“-Ideologie (28-52) Angelika Königseder: Antisemitismus 1933-1938 (54-65) Ernst Hanisch: Der Politische Katholizismus als ideologischer Träger des „Austrofaschismus“ (68-86) Anton Pelinka: Christliche Arbeiterbewegung und Austrofaschismus (88-97) Winfried R. Garscha: Nationalsozialisten in Österreich 1933-1938 (100-120) II. Politische Struktur – Verfassungsordnung – politische Wirklichkeit Emmerich Tálos / Walter Manoschek: Aspekte der politischen Struktur des Austrofaschismus (124-160) Maren Seliger: Führerprinzip und berufsständische Vertretung auf kommunaler Ebene? Am Beispiel Wien (162-178) III. Politische Gestaltung – wirtschaftliche und soziale Realität Gerhard Senft: Anpassung durch Kontraktion. Österreichs Wirtschaft in den dreißiger Jahren (182-199) Siegfried Mattl: Die Finanzdiktatur. Wirtschaftspolitik in Österreich 1933-1938 (202-220) Emmerich Tálos: Sozialpolitik im Austrofaschismus (222-235) Gerhard Melinz: Fürsorgepolitik(en) (238-252) Irene Bandhauer-Schöffmann: Der „Christliche Ständestaat“ als Männerstaat? Frauen- und Geschlechterpolitik im Austrofaschismus (254-280) Herbert Dachs: „Austrofaschismus“ und Schule. Ein Instrumentalisierungsversuch (282-296) Wolfgang Neugebauer: Repressionsapparat und –maßnahmen 1933-1938 (298-319) Karl Stuhlpfarrer: Austrofaschistische Außenpolitik – ihre Rahmenbedingungen und ihre Auswirkungen (322-336) Alfred Pfoser / Gerhard Renner: „Ein Toter führt uns an!“ Anmerkungen zur kulturellen Situation im Austrofaschismus (338-356) Wolfgang Duchkowitsch: Umgang mit „Schädlingen“ und „schädlichen Auswüchsen“. Zur Auslöschung der freien Medienstruktur im „Ständestaat“ (358-370) Matthias Marschik: Turnen und Sport im Austrofaschismus (1934-1938) (372-389) IV. Resümee Emmerich Tálos: Das austrofaschistische Herrschaftssystem (394-420) Emmerich Tálos: Zeittafel 1929-1938 (421-425)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.4 | 2.25 | 2.23 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Emmerich Tálos / Wolfgang Neugebauer (Hrsg.): Austrofaschismus. Münster: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/24077-austrofaschismus_27716, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 27716 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken