Der algerische Schriftsteller Boualem Sansal erklärt das Aufkommen des Islamismus aus seiner Sicht als Zeitzeuge. So beginnt er seinen Essay mit Betrachtungen über sein Heimatland, das kurz nach seiner Unabhängigkeit den Islamismus kennenlernte. Die Bilanz des daraus resultierenden Bürgerkriegs ist erschütternd, und, so warnt Sansal, auch wenn der Krieg mittlerweile vorbei ist, ist noch lange kein Frieden eingekehrt in Algerien – wie in vielen anderen Teilen der Welt. „[H]eute ist der Islamismus, den gestern niemand kannte und der überall staatlicher Repression ausgesetzt war, ein globales Phänomen. Mit zwei Waffen, die er meisterlich beherrscht, hat er die Welt neu gestaltet: mit Predigt und Terror.“ (14) Eindringlich beschreibt Sansal, wie der radikale Islamismus sich zeitweise mit einer gemäßigten Maske tarnte, wodurch er unter anderem die Volksaufstände während des Arabischen Frühlings unterwandern und beeinflussen konnte. Trotz seiner Haltung bleibt der Autor stets sachlich, zu wichtig ist ihm, dass Islam und Islamismus zwei völlig unterschiedliche Begriffe sind: „hier eine altehrwürdige, glanzvolle Religion ohnegleichen, dort die überaus kritikwürdige Instrumentalisierung dieser Religion zu (partei)politischen Zwecken.“ (25) Die Existenz völlig unterschiedlicher Bilder des Islam, besonders in Europa, erschwere ein Verständnis dieser Religion. Sansal ruft dazu auf, die Debatte über den Islam wieder aufleben zu lassen, umso dringender, „als der Islamismus ja behauptet, seine Legitimität aus dem Islam zu beziehen, gar dessen loyaler Hüter zu sein – und sich von daher das Recht anmaßt, uns zu kritisieren, zu verurteilen und zu töten.“ (80 f.) Der Arabische Frühling hat die Machtverhältnisse zu Gunsten der Islamisten verschoben. Um mit Sansal zu sprechen: „Ist es wirklich die erste Etappe auf dem langen, chaotischen Marsch hin zur Demokratie? Ist es der Beginn einer islamistischen Diktatur? […] Noch sind alle Fragen, alle Befürchtungen, alle Hoffnungen möglich.“ (138)