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Peter Scholl-Latour

Afrikanische Totenklage. Der Ausverkauf des Schwarzen Kontinents

München: C. Bertelsmann 2001; 475 S.; 24,- €; ISBN 3-570-00544-5
Der namhafte Buchautor und Asien-Experte präsentiert einen Band, der zugleich Reisetagebuch und zeitgeschichtliche Dokumentation desjenigen Kontinents ist, auf dem seine journalistische Karriere vor über 40 Jahren begann. Seit den 50er-Jahren bereiste Scholl-Latour ausnahmslos alle Länder Afrikas, viele mehrmals und in regelmäßigen Abständen. Der Band kontrastiert Tagebuch- und Interviewaufzeichnungen zwischen 1956 und 2001 miteinander und ergänzt diese mit öffentlichen Stellungnahmen, Dokumenten und literarischen Impressionen. Gesprächspartner sind die Frau auf der Straße, europäische Handelsreisende, Rebellenführer, Staatspräsidenten und UNO-Generäle. Der Autor nimmt den Leser mit auf eine zugleich faszinierende und äußerst deprimierende Zeitreise in das "Herz der Finsternis" des afrikanischen Kontinentes, wie Joseph Conrad Ende des 19. Jahrhunderts die Auswirkungen der Kolonialpolitik auf die Lebenssituation der "Eingeborenen" und zugleich die Motivlage der europäischen Geschäftemacher treffend charakterisierte. Scholl-Latour verfolgt nicht nur die Spuren Conrads - mit dem Schaufelraddampfer auf dem Congo -, sondern beschreibt die Entwicklung ausgehend von der Endphase kolonialer Fremdherrschaft "zurück in die Zukunft", d. h. den "Ausverkauf des Schwarzen Kontinents" im Zeichen der "ungehemmten Marktwirtschaft" (11). Die ökonomischen Ursachen für die meisten der blutigsten Auseinandersetzungen und Stammeskriege haben sich seit dem 19. Jahrhundert nicht wesentlich verändert: an die Stelle des Elfenbeins traten lediglich Erdöl, Coltan und Diamanten. Der Autor enthält sich weitgehend Verallgemeinerungen und pauschalen politischen Schuldzuweisungen oder legt diese in die Worte z. B. eines Weltbankdiplomaten: "Wir erleben eine neue Kolonisierung Afrikas, und die ist das Werk von amerikanischen Spekulanten [...]. Die politische und militärische Muskelkraft der USA wird eingesetzt, um den Raub der afrikanischen Ressourcen durch amerikanische 'multilaterale Gesellschaften' zu erleichtern." (35) Ein nigerianischer General bestätigt die Grundthese des Buches: "Fast möchte man meinen, daß die Staaten, die über keinerlei Rohstoffreichtum verfügen, die glücklichsten Länder Afrikas sind." (446) Leider liefert der Autor auch bei schriftlichen Quellen keinerlei bibliographischen Nachweise. Dennoch ist seine Dokumentation ein unverzichtbarer Beitrag zum Verständnis der politischen und sozialen Situation Afrikas. Die Schwerpunktländer der Studie sind: der Kongo, Ruanda, Uganda, die Tanganijika-Region, Kenia, der Sudan, Angola, Südafrika, Namibia, Liberia, die Elfenbeinküste, Guinea und Sierra Leone.
Andreas Eis (AE)
Jun.-Prof. Dr., Didaktik des politischen Unterrichts und der politischen Bildung, Institut für Sozialwissenschaften Oldenburg, Fakultät I.
Rubrizierung: 2.67 Empfohlene Zitierweise: Andreas Eis, Rezension zu: Peter Scholl-Latour: Afrikanische Totenklage. München: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/15416-afrikanische-totenklage_17554, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 17554 Rezension drucken