Skip to main content
David Templin

Freizeit ohne Kontrollen. Die Jugendzentrumsbewegung in der Bundesrepublik der 1970er Jahre

Göttingen: Wallstein Verlag 2015 (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte 52); 672 S.; geb., 46,- €; ISBN 978-3-8353-1709-3
Geschichtswiss. Diss. Hamburg; Begutachtung: A. Schildt, D. Siegfried. – Das Buch bietet den ersten umfassenden Überblick über die Geschichte der Jugendzentrumsbewegung in der Bundesrepublik der 1970er‑Jahre. David Templin untersucht erstens die Träger, Ziele und Aktivitäten der Bewegung, zweitens die Reaktionen der Kommunen und schließlich Stadt‑Land‑Unterschiede. Bemerkenswert ist die breite Quellenbasis der Untersuchung: So wertete der Autor die Selbstzeugnisse der Jugendzentrumsbewegung aus, interviewte Zeitzeugen und nutzte Privatarchive. Des Weiteren untersuchte er Überlieferungen jugendpolitischer Organisationen, Fachzeitschriften und die Berichterstattung von Spiegel und FAZ. Um das Handeln der Kommunen nachzuvollziehen, erstellte er Fallstudien über Hannover, zwei Mittelstädte in der Nähe von Hamburg und eine Kleinstadt in Baden‑Württemberg. Die Auswahl der Orte ging angesichts der Konzentration auf den Norden des Landes vermutlich eher auf pragmatische Gesichtspunkte zurück. Im Verlauf des Buches fällt dies aber nicht negativ auf, da Templin außerdem Archivalien aus 14 Stadtarchiven und zwei Landesarchiven aus der ganzen Bundesrepublik sichtete. Als besonders aufschlussreich erwies sich außerdem das Archiv des SWR, das Zuschriften von Zuschauern der Jugendsendungen „DISKUSS“ und „Jour fix“ aufbewahrt. Durch diese Materialfülle gelang es dem Autor, insgesamt 765 von geschätzten 1000 Jugendgruppen auszumachen. Die Ausbreitung und Hochphase der Bewegung lag demnach zwischen 1970 und 1974. Bei der Herausbildung der Bewegung spielte das Fernsehen eine aktive Rolle. Zu den Trägern der Jugendgruppen zählten besonders männliche Gymnasiasten zwischen 16 und 20 Jahren, die für eine Freizeit ohne Kontrollen eintraten. Die Mehrheit der Kommunen lehnte die Forderungen der Jugendlichen ab. Trotzdem setzte sich etwa jede zweite Gruppe durch und gründete ein Jugendzentrum. Während einige bald wieder die Türen schlossen, gelang es anderen, sich zu etablieren. Dies geschah nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land, wo die Jugendzentren „alternative Lebensstile, subkulturelle Praxen und linksradikale politische Vorstellungen“ (620) beförderten. All dies zeigt der Autor anhand quantitativer Erhebungen und unzähliger Beispiele, was sein mehr als 600‑seitiges Werk besonders lesenswert macht.
{DEN}
Rubrizierung: 2.3132.3252.3312.3332.35 Empfohlene Zitierweise: DEN, Rezension zu: David Templin: Freizeit ohne Kontrollen. Göttingen: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39456-freizeit-ohne-kontrollen_47894, veröffentlicht am 25.02.2016. Buch-Nr.: 47894 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken