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Reimut Zohlnhöfer / Thomas Saalfeld (Hrsg.)

Politik im Schatten der Krise. Eine Bilanz der Regierung Merkel 2009-2013

Wiesbaden: Springer VS 2015; 647 S.; softc., 59,99 €; ISBN 978-3-658-05212-6
„Die christlich‑liberale Koalition aus CDU/CSU und FDP galt 2009 beiden Parteien als Wunschkoalition. Am Ende der Legislaturperiode dagegen wirkte sie nur noch wie eine Krisengemeinschaft aus einer Union, die sich längst nach anderen Machtoptionen umsah, und einer FDP, die um das nackte politische Überleben zu kämpfen hatte“ (9), bilanzieren die Herausgeber die zweite Merkel‑Regierung. Trotz des geringen zeitlichen Abstands gelingt den Autoren eine beeindruckende Analyse hinsichtlich der Parteien‑ und Wählerforschung (I.) sowie der Policy‑Forschung (II.). Im ersten Abschnitt zu nennen sind insbesondere die Beiträge zum „Absturz der FDP“, der laut Uwe Jun aus der enttäuschenden Reformbilanz besonders mit Blick auf die Steuerpolitik resultierte, und zum Erfolg der CDU. Diesen sieht Udo Zolleis weniger in progressiven Inhalten als im „Themenmanagement“ (85) der Kanzlerin begründet, während Axel Murswiek auf die (institutionelle) Verfestigung des Führungsstils verweist. Ergänzt werden diese – auch theoretisch gut eingeordneten – Betrachtungen der Parteienforschung um konkrete Anwendungsbereiche im zweiten Abschnitt, in dem alle relevanten Politikfelder detailliert beleuchtet werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Euro‑Krise. Vier Beiträge sind besonders erwähnenswert. Thomas Rixen zieht wirtschaftspolitische Aspekte heran, um die Probleme der FDP zu analysieren. Ihre Ursache erkennt er in der Schwerpunktsetzung der Regierung auf die Haushaltskonsolidierung – was wiederum die Stärke der CDU erkläre. Den Vorwurf, die politische Handlungsmaxime Merkels sei die Reaktion, sehen Frank Bandau und Kathrin Dümig in ihrer arbeitsmarktpolitischen Analyse als bestätigt an. Die oft übergangene Verbindung und Dynamik zwischen Innen‑ und Außenpolitik wird in den Beiträgen von Hubert Zimmermann und Frank Wendler stringent analysiert und von den Herausgebern im Vorwort auf das Ausbleiben von Strukturreformen bezogen. Wendler kommt zu dem kritischen Schluss, dass in Europa nationalistische Reflexe und Stereotypen zugenommen haben. Zu kritisieren ist einzig – jedoch inhaltlich nicht unerheblich – der größtenteils unkritische Versuch, das oft reagierende statt aktive Handeln der Regierung mit dem Hinweis auf die immensen Aufgaben der Euro‑Krise und die dadurch geringeren zur Verfügung stehenden „politischen Ressourcen“ (21, 22, 641) zu rechtfertigen. Dies sollte nicht Aufgabe der Wissenschaft sein, auch wenn Zimmermann in seinem Fazit eben diesen Eindruck der wissenschaftlichen Rechtfertigung der „Alternativlosigkeit“ erweckt. Trotzdem bleibt der Band ein Muss für Politikwissenschaftler, die die Verbindung von Theorie und Praxis schätzen.
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Rubrizierung: 2.322 | 2.331 | 2.315 | 2.325 | 2.342 | 2.343 | 4.21 | 3.7 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Reimut Zohlnhöfer / Thomas Saalfeld (Hrsg.): Politik im Schatten der Krise. Wiesbaden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38306-politik-im-schatten-der-krise_46720, veröffentlicht am 16.04.2015. Buch-Nr.: 46720 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken