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Jacques Rancière

Das Volk und seine Fiktionen. Interviews 2003-2005. Aus dem Französischen von Richard Steurer-Boulard

Wien: Passagen Verlag 2013; 201 S.; 25,50 €; ISBN 978-3-7092-0073-5
Die letzte Station der Interviewreihe mit Jacques Rancière (siehe Buch‑Nr. 43162, 46507, 46509) zeigt einen deutlicheren Fokus auf seine ästhetischen Motive, die aber immer wieder ihre Vermittlung zur Politik finden. Neben konkreten Nachfragen zu einzelnen Aspekten seines Denkens stehen damit erneut die Kristallisationspunkte im Mittelpunkt, an denen sich der innere Zusammenhang seiner Gedanken deutlich hervortut. Wenn Rancière in diesen Jahren also angeblich in seiner ästhetischen Phase angelangt ist, scheint darin auch immer die Zentralität seiner politischen Gedanken durch. Denn „das Problem ist nicht, wie man behauptet, ob Kunst und Politik miteinander verbunden werden müssen oder nicht, sondern, dass die Politik ihre Ästhetik hat […], während die Ästhetik auch ihre Politik hat“ (88). Dieses Verhältnis beschreibt sich deutlich am Konzept des Volkes, das als der unmögliche Körper der Gemeinschaft sich immer wieder eine Repräsentation verleihen muss, die es gleichzeitig politisch herauszufordern gilt. Dass das Volk damit als Uneinigkeit und in spezifischen Identifizierungen erscheinen muss, erläutert Rancière theoretisch und zieht Konsequenzen, für eine politische Praxis ebenso wie für die ästhetische Aufarbeitung in Kino oder Literatur. Die Repräsentation ist folglich immer schon diese Spaltung einer konkreten Aufteilung und der Möglichkeit des Bruchs in ihrem Ausschluss. So steht auch hinter Repräsentationsformen wie der Poetik des fait divers „ein Bruch mit einer gewissen Ordnung der Erzählung und der Bedeutung“ (121), der gleichzeitig neue Formen und Ausschlüsse einsetzt. Wie Rancière in „Die Aktualität des ‚Unwissenden Lehrmeisters‘“ betont, liegt die Herausforderung gerade nicht in der Abschaffung dieser Bedingung, sondern in der stetigen Aktualisierung der Behauptung, „dass die Zeit der Emanzipation immer recht ist, dass es immer die Möglichkeit gibt, eine Logik zu behaupten, die nicht die herrschende Logik ist“ (155). Schließlich deutet Rancière darin den politischen Gehalt der Kunst im Affekt, der diese Emanzipationsleistung in Gang setzen kann, indem er den inhärenten Abstand einer Ordnung zu ihrer ontologischen Unmöglichkeit in spezifischer Form (ob durch Film oder Text) begreifbar werden lässt.
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Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Jacques Rancière: Das Volk und seine Fiktionen. Wien: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38188-das-volk-und-seine-fiktionen_46506, veröffentlicht am 19.03.2015. Buch-Nr.: 46506 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken