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Philipp Braitinger

Die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG. Verfassungsrechtliche Grundlagen, Verfahren und Probleme

Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2013 (Politica 94); 367 S.; 98,90 €; ISBN 978-3-8300-7215-7
Diss. Eichstätt‑Ingolstadt. – Nach der letzten auf Bundesebene gestellten Vertrauensfrage (Bundeskanzler Schröder, 2005) ist es in den vergangenen Jahren in Politikwissenschaft und Staatsrechtslehre wieder stiller um dieses Thema geworden. Daher gibt Philipp Braitinger im Wesentlichen lediglich die bekannten Argumente zu dieser Diskussion wider. Positiv ist jedoch zu vermerken, dass der Darstellung des Verfahrens in der Bundesrepublik (Kapitel 5) eine sehr ausführliche historische Deskription dieses Verfassungselements seit 1871 vorangestellt wird (Kapitel 2 bis 4). Insbesondere nach eingehender Lektüre der Entstehungsgeschichte des Artikels 68 im Parlamentarischen Rat gelangt der Autor überzeugend zu dem Schluss, die Verfassungsgeber hätten sich zweifellos eine eher „restriktive Handhabung“ (191) dieses Instruments vorgestellt. Diese Erkenntnis ist insofern wichtig, als Braitinger mit seiner Argumentation letztlich zeigen will, dass die „auflösungsgerichtete“ Vertrauensfrage mit den Intentionen des Grundgesetzes nicht vereinbar ist und es deshalb sinnvoller wäre, „ein parlamentarisches Selbstauflösungsrecht zu schaffen“ (11, 248 ff.). Dabei ist sein zentrales Argument die Sinnentleerung des Vertrauensbegriffs, wenn Artikel 68 mit dem Ziel einer Auflösung des Bundestages genutzt wird. Dies ist sicher richtig, wenngleich die Schlussfolgerung, Artikel 68 entspreche dann de facto einer verfassungsrechtlich nichtnormierten Selbstauflösungskompetenz des Bundestages, nicht überzeugt. Denn in diesem Fall ist es ja eben nicht der Bundestag, der – ohne Mitwirkung anderer Instanzen – sich selbst auflösen kann; vielmehr kann er dies nur auf Anregung des Bundeskanzlers, ist also von dessen Willen abhängig. Auch wäre im Zusammenhang mit der Darstellung der verfassungsrechtlichen Lage in den deutschen Ländern ein Hinweis auf die Selbstauflösung des schleswig‑holsteinischen Landtags im Sommer 2009 sinnvoll gewesen – hier wurde die Vertrauensfrage genutzt, weil eine Selbstauflösung nicht die nötige Mehrheit im Landtag gefunden hatte.
Sven Leunig (SVL)
Dr., Politologe, Akademischer Rat, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.svenleunig.de).
Rubrizierung: 2.322.3222.3232.3312.3112.3132.315 Empfohlene Zitierweise: Sven Leunig, Rezension zu: Philipp Braitinger: Die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG. Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37522-die-vertrauensfrage-nach-art-68-gg_45885, veröffentlicht am 11.09.2014. Buch-Nr.: 45885 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken