Mit diesem Band werde das Ziel verfolgt, „anhand von ausgewählten internen Protokollen und Arbeitspapieren sowie Presseerklärungen und Bundestagsreden Einblicke in die Diskussions- und Entscheidungsprozesse der SPD in den Jahren 1989/90 zu geben“ (14), schreibt die Herausgeberin einleitend. Nachzulesen sind neben staatstragenden Äußerungen wie Hans-Jochen Vogels Aufruf zur Besonnenheit vom 10. November 1989, auch entlarvende Worte von Oskar Lafontaine – die Übernahme der Kanzlerkandidatur sei zwar eine ehrenvolle Aufgabe, die er sich aber dennoch gründlich überlegen müsse. „Es gebe für ihn im Leben noch andere Dinge, die ihm wichtig seien“ (224), wird er im Protokoll einer Beratung des Parteivorstandes vom 29. Januar 1990 zitiert. In den insgesamt 58 Protokollen lassen sich „neben temporärer Ratlosigkeit nicht selten äußerst konträre Einschätzungen der Lage, aber auch konstruktive Gestaltungsvorschläge für den Einigungsprozess“ (13) nachlesen, so Fischer. Nicht dokumentiert werde der Willensbildungsprozess an der Parteibasis sowie nicht umfassend der in der SPD-Bundestagsfraktion. Das letzte Wort in diesem Band hat Wolfgang Thierse, zitiert aus der ersten Bundestagssitzung im vereinten Deutschland am 4. Oktober 1990. Er entwirft stichpunktartig ein sozialdemokratisches Minimalprogramm, das die Erfahrung von sozialer Sicherheit, einem „Recht auf Arbeit“ (404), eine Rentenerhöhung und bezahlbare Mieten umfasst.