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Sebastian Baryli

Zwischen Stalin und Kafka. Ernst Fischer von 1945 bis 1972

Bonn: Pahl-Rugenstein 2008; 258 S.; 22,90 €; ISBN 978-3-89144-400-9
Die Beschäftigung mit der Ideenwelt des Politikers, Schriftstellers und Journalisten Fischer setzt in dieser Studie im Jahre 1945 ein. Fischer, der 1899 im heute tschechischen Chomutov geboren wurde, begann seine politische Laufbahn als Sozialdemokrat und wandte sich 1934 der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) zu. 1939 emigrierte er nach Moskau und vertrat nach seiner Rückkehr 1945 stalinistische Positionen. Baryli versucht nun, für die Analyse der folgenden Brüche im ideologischen Denken Fischers „die Methoden der Diskursanalyse und der Ideologiekritik, obwohl sie einander teilweise widersprechen, zu synthetisieren.“ Dies erscheine zwar auf den ersten Blick als unmöglich. „Doch ich möchte versuchen diese Ansätze aus marxistischer Perspektive neu zu formulieren“ (10), so der Autor. Für die Untersuchung bedeutet dies allerdings nicht, dass die abstrakte Genese von Fischers Ideen untersucht würde. Baryli geht eher empirisch vor und behandelt die ideologischen Brüche im Kontext der sich verändernden politischen Rahmenbedingungen. Dabei geht es unter anderem um die Frage, „welchen Einfluss die politischen Kämpfe innerhalb der kommunistischen Bewegung für die politische Theorie“ (20) Fischers hatten. Die Aussagen Fischers wiederum werden „dreifach interpretiert. Zunächst einmal als Hinweis auf das Bewusstsein, dann als Hinweis für die gesellschaftliche Wirklichkeit und schließlich als Aussage an sich“ (21). Nachzulesen sind die eher pragmatischen Politikwechsel eines Stalinisten von einer Volksfrontpolitik zu einer Zwei-Lager-Position, die Verteidigung des sozialistischen Realismus in der Kunst und dann das Ringen „um eine neue Attraktivität des Sozialismus“ (161). Der generationstypische ideologische Dämpfer stellt sich mit dem 20. Parteitag der KPdSU ein und dann vor allem auf der Kafka-Konferenz, zu der Fischer 1963 in die Nähe von Prag eingeladen war und deren zentrales Thema, so der Autor, die Entfremdung im Sozialismus war. Nachdem er die Niederschlagung des Prager Frühlings kritisiert hatte, endete Fischers Karriere als Mitglied des Zentralkomitees der KPÖ 1969 unfreiwillig.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.4 | 2.1 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Sebastian Baryli: Zwischen Stalin und Kafka. Bonn: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30742-zwischen-stalin-und-kafka_36520, veröffentlicht am 02.09.2009. Buch-Nr.: 36520 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken