Skip to main content
Robert Allertz

Die RAF und das MfS. Fakten und Fiktionen

Berlin: edition ost 2008; 224 S.; brosch., 14,90 €; ISBN 978-3-360-01090-2
Im August 1983 forderte eine Sprengstoffexplosion im französischen Kulturzentrum Maison de France in Berlin einen Toten und 23 Verletzte. 1994 wurde ein Stasi-Mitarbeiter vom Berliner Landgericht wegen Beihilfe zu vier Jahren Haft verurteilt. Er war dafür verantwortlich gewesen, dass der später als Haupttäter zu lebenslanger Haft verurteilte Johannes Weinrich den Sprengstoff ausgehändigt bekam – nachdem dieser im Mai 1982 auf einer Transitreise Weinrichs von den DDR-Behörden beschlagnahmt worden war. Er hatte aber schließlich doch die Erlaubnis erhalten, den Sprengstoff wie geplant in die syrische Botschaft zu bringen. Neiber, der inzwischen verstorben ist, behauptet nun, dass niemals „zweifelsfrei“ (56) geklärt worden sei, ob es sich um ein und denselben Sprengstoff gehandelt habe und weist damit Schuld von sich. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Frage, wie die DDR mit Terroristen umgegangen ist, wäre wünschenswert gewesen, und dieses Buch hätte eine Gelegenheit sein können: Koautor Neiber war in seiner Funktion als stellvertretender MfS-Minister u. a. für die Unterbringung der RAF-Aussteiger verantwortlich. Das Argumentationsmuster wird aber bereits im Vorwort deutlich – es bleibt wie zu Honeckers Zeiten: „Unstreitig ist, dass die DDR nationale Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt in ihrem antiimperialistischen Kampf unterstützt. Doch Westberlin und die Bundesrepublik sind nicht die Dritte Welt. Folglich betrachtet die DDR auch keine Gruppierung dort als nationale Befreiungsbewegung, die man wie eine solche unterstützen müsste. Schon gar nicht, wenn sie ihre Ziele mit Gewalt verfolgt.“ (12 – man achte auf den Präsens). Dennoch hatte Neiber keine Probleme damit, RAF-Terroristen einzubürgern und argumentiert damit, diese dem Terrorismus entzogen zu haben. Dies sei in erster Linie geschehen, um die DDR weder Hinterland noch Schauplatz von Aktionen und Anschlägen werden zu lassen – ein Anspruch, mit dem nicht nur Gewalttäter geschützt, sondern der mit dem Zulassen des Anschlags auf die Maison de France auch nicht eingelöst wurde.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 | 2.313 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Robert Allertz: Die RAF und das MfS. Berlin: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28880-die-raf-und-das-mfs_34093, veröffentlicht am 23.09.2008. Buch-Nr.: 34093 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken