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Werner Abelshauser

Nach dem Wirtschaftswunder. Der Gewerkschafter, Politiker und Unternehmer Hans Matthöfer

Bonn: Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger 2009; 797 S.; Ln., 58,- €; ISBN 978-3-8012-4171-1
Der Bielefelder Historiker legt ein hoch interessantes Werk zur jüngeren Zeitgeschichte vor. In der Person Matthöfers, der u. a. Diplomat, Gewerkschafter, Abgeordneter, Staatssekretär und Minister war, findet die Darstellung eines Ausschnitts der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik ihr Zentrum. Methodologisch ist diese Wahl nicht nur in der Bedeutung Matthöfers begründet, obwohl es fast „unmöglich ist, sich mit den großen wirtschaftlichen und politischen Fragen“ der Nachkriegszeit zu beschäftigen, „ohne auf seine Spuren zu stoßen“ (9). Abelshauser hat ein biografiegeschichtliches Modell entwickelt, in dem er Lebensgeschichte und Zeitgeschehen auf exemplarische Weise verschmilzt: „Der institutionelle Wandel […] vollzieht sich zuerst im Innern der Akteure“, sie reagierten somit auf „exogene Schocks“ (676) mit neuem Verhaltensmustern, wenn das hergebrachte Normenrepertoire sich nicht mehr als geeignet erweist. Dies Modell passt ideal zu Matthöfer, dessen Hochphase als Politiker zwischen 1966 und 1982 liegt. In dieser Zeit war die deutsche Sozialdemokratie gezwungen, tiefe Wandlungsprozesse ihrer Programmatik zu vollziehen und zahlreiche Ziele wie bspw. Vollbeschäftigung oder Mitbestimmung neu zu definieren. Die Eliten waren sich kaum bewusst, erläutert der Autor, „dass die deutsche Wirtschaft in ihrem dynamischen Kern bereits vor dem Ersten Weltkrieg den Status der alten Industriewirtschaft abgelegt hatte“ (285) und von nun an wissensbasiert war sowie auf immaterieller Wertschöpfung beruhte. Matthöfer war jedoch nicht nur in der Wirtschafts- und Finanzpolitik aktiv. Er zählte zu jener Minderheit der SPD, die die Notstandsgesetze ablehnte. Seine Rede im Parlament bezeugt für den Autor die „Kraft des Parlamentarismus, auch fundamentale Meinungsunterschiede auf zivilisierte Weise zu regeln“ (177). Dies trug Matthöfer die Achtung Helmut Schmidts ein, der wusste, dass er damit „mehr zur Legitimation […] beigetragen hatte, als die meisten Jasager“ (178). So kommen in diesem Band die unterschiedlichsten Politikfelder zur Darstellung, verschiedene politische Kulturen werden beschrieben und Veränderungsprozesse politischer Institutionen analysiert.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 | 2.313 | 2.322 | 2.331 | 2.342 | 2.35 | 4.21 | 4.43 | 4.44 | 2.61 | 2.65 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Werner Abelshauser: Nach dem Wirtschaftswunder. Bonn: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27825-nach-dem-wirtschaftswunder_32676, veröffentlicht am 16.07.2009. Buch-Nr.: 32676 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken