Grenzen definieren politische und soziale Identitäten; sie trennen, können aber auch verbinden. Besonders augenfällig wird diese Spannweite im Blick auf „mitteleuropäische Grenzräume”. Sind die heutigen Grenzregionen innerhalb der EU v. a. grenzüberschreitende Kooperationsräume, so war für die nationalsozialistische Europaidee die geopolitische Großraumvorstellung Carl Schmitts grundlegend. Beide Konzepte markieren wesentliche mitteleuropäische Denk- und Identitätsmuster des 20. Jahrhunderts. Zentrale Parameter sind dabei die Denkfiguren von Zentrum und Peripherie. Im Blick auf Osteuropa stellt sich die Peripheriefrage u. a. für das Ermland und das Baltikum; die Möglichkeiten und „Grenzen” der Schaffung eines neuen europäischen Zentralraumes lassen sich z. B. im Kontext des europäischen Systems des 18. Jahrhunderts besonders in den Kriegszielen des Nordischen Krieges (1700-1720/21) erkennen. Deutsch-deutsche Perspektiven eröffnen die „Wandlungsfähigkeit” des Bundesgrenzschutzes zur Bundespolizei oder der „Grenzfall Gartenschläger”, einer der 264 Todesfälle an der innerdeutschen Grenze. Westeuropa schließlich, der historische „Geburtsraum” der EU, lässt sich in Bezug auf sein Grenzdenken und -handeln kaum plastischer erschließen als durch literarische Werke wie das des Elsässers René Schickele (1883-1940) oder den Blick auf die dänischen bzw. deutschen Minderheiten in Südschleswig und Sønderjylland. „Mitteleuropäische Grenzräume” sind also fürwahr ein vielfältiges Feld. Mögen sich deshalb die „Chemnitzer Europastudien” diesem Thema auch weiterhin widmen.