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Interdisziplinäres Autorinnenteam Witten (Hrsg.)

Heal your Hospital. Studierende für neue Wege der Gesundheitsversorgung

Frankfurt a. M.: Mabuse-Verlag 2016; 245 S.; 24,95 €; ISBN 978-3-86321-240-7
Die ungute Vermutung, dass es mit dem deutschen Gesundheitssystem trotz aller beständigen Reformbemühungen nicht zum Besten bestellt ist, ist beinahe schon ein Gemeinplatz der politischen Auseinandersetzung. Eine solche Auseinandersetzung hat – auch – im Rahmen des Studium fundamentale der Universität Witten/Herdecke stattgefunden und Studierende wie Professoren über einen Zeitraum von gut vier Jahren beschäftigt. Wir wollen, so schreibt das Autorinnenkollektiv in der Einleitung des Bandes, „Wege finden, unsere Ideen für ein besseres Gesundheitssystem von morgen einzubringen. Heute [...] möchten wir Ihnen gerne aufzeigen, dass es möglich ist, Gesundheit anders zu gestalten und dass auch Sie [...] daran teilhaben können“ (11). Für alle, die mit dem Gesundheitssystem in Berührung kommen, ist dies ein spannendes und relevantes Unterfangen. Die Problematik indes beginnt bereits an dem Punkt, wenn es überhaupt erst festzulegen gilt, was denn das Gesundheitssystem ausmacht, wie weit es sich erstreckt. Levka Dahmen geht in dem von ihr verantworteten Kapitel der Frage nach, welches Selbstverständnis ein zeitgemäßes, den individuellen Bedürfnissen seiner Patienten gerecht werdendes Gesundheitssystem aufweisen müsse. In ihrem Beitrag, in dem unter anderem auch Patientinnen und Patienten im Rahmen von Interviews zu Wort kommen, gelangt sie zu dem Schluss, dass es einer „Erweiterung der Medizin, die vom Gegenteil – vom Individuellen des Menschen – ausgeht“ (27), bedürfe. Nicht nur körperliche und genetische Merkmale des einzelnen Patienten gelte es technisch zu erfassen, sondern auch den Menschen als empfindendes und soziales Wesen, also dessen psychische Disposition und sein soziales Umfeld zu berücksichtigen. Noch wesentlich drängender dürfte in der öffentlichen Wahrnehmung indes die Frage nach dem Verhältnis von privater und gesetzlicher Krankenversicherung sein. Moritz Völker unternimmt in seinem Kapitel eine Bestandsaufnahme der Letzteren und bemüht in diesem Zusammenhang sehr häufig den Begriff der Solidarität und der Solidargemeinschaft. Dass der Beitrag allerdings damit endet, dazu aufzurufen, nicht die „Solidargemeinschaft auszunutzen“ und stattdessen „auf seine Art und Weise zur Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems“ (164) beizutragen, verwundert schon – nicht nur, dass hier eine merkwürdige Vermischung von Solidaritätsvokabular und Ökonomisierungstechnik stattfindet. Auch die Frage, wie genau denn Menschen, die Renten unterhalb der Armutsgrenze beziehen oder die in erzwungener Teilzeit zum Mindestlohn arbeiten und teilweise Wochen auf Behandlungstermine warten müssen, während Privatpatienten derlei Probleme nicht kennen, ihren Beitrag leisten sollen, bleibt unbeantwortet. Das ist dann ein erstaunlich schwaches Ergebnis.
{LEM}
Rubrizierung: 2.343 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Interdisziplinäres Autorinnenteam Witten (Hrsg.): Heal your Hospital. Frankfurt a. M.: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40183-heal-your-hospital_47751, veröffentlicht am 08.12.2016. Buch-Nr.: 47751 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken