Skip to main content
Reinhard Olschanski

Ressentiment. Über die Vergiftung des europäischen Geistes

München: Wilhelm Fink Verlag 2015; 228 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-7705-5967-1
Vorurteile gibt es viele, wie etwa: Zuwanderer aus dem Osten seien Sozialtouristen, die Menschen in Südeuropa faul und unzuverlässig – Reinhard Olschanski sieht eine Wiederkehr der Ressentiments in Europa. Es drohe eine „Aushöhlung eines Geistes des Dialogs und der Verständigung“ (9), der Europa Frieden und Wohlstand beschert habe. Der Autor gibt den Glauben an diesen Geist aber nicht verloren, auch wenn er durchaus das Risiko sieht, dass sich alte und neue Feindbilder manifestieren. Eine vertiefte europäische Integration biete große Chancen, doch erfordere sie, dass „Ressentimentkonflikte als solche erkannt [… und] Feindbildkonstruktionen konsequenter benannt und engagierter kritisiert“ (11) werden. Die ‚Logik‘ hinter den Ressentiments und Wege, ihnen zu begegnen, sind die zentralen Themen des Autors. Ein grundsätzlicher Wesenszug des Ressentiments sei, nach Friedrich Nietzsche, dass ein vorurteilsbeladener Mensch nicht auf seine unmittelbar aktuellen Eindrücke reagiere, sondern auf Erinnerungen zurückgreife, etwa auf „zurückliegende Kränkungen“ (16). Er lasse sich von der Vergangenheit leiten, werte andere ab, weil er sich seines Selbstwertes nicht mehr sicher sei. Eine politische Akzentuierung bekomme das Ressentiment, wenn eine Freund/Feind‑Unterscheidung vorgenommen werde, erklärt der Autor nach Carl Schmitt. Diese Abgrenzung sei „eine der ältesten und erfolgreichsten Techniken der Macht“ (34). Als historisches Beispiel führt Olschanski einige Beispiele an, wie etwa die Gegensätze zwischen „Hellenen und Barbaren“ oder „Christen, Juden, Heiden und Ketzern“ (58), der entstehende Eurozentrismus und schließlich die Block‑Konfrontation zwischen Ost und West. Bei den heute erneut entstehenden Ressentiments fungierten die alten Feindbilder „wie Riechproben, die auf die Fährte ihrer Aktualisierung locken“ (189). Die historische Kontinuität der Abneigungen diene dem Verfestigen der eigenen traditionellen Gruppenidentität. Ein Europa ohne Grenzen könne zu einer „Denationalisierung der Mentalitäten“ beitragen, resümiert der Autor. Er schlägt eine Art europäischen Neustart vor, mit einer europäischen Verfassung, die sozial‑ökologische Interessen stärker berücksichtigt und die als „selbstbewusster politischer Gründungsakt durch die Bürgerinnen und Bürger Europas“ (227) in Kraft gesetzt werden sollte und damit zu einer erhöhten Legitimität und Verbindlichkeit des europäischen Projekts beitragen könnte.
{WDE}
Rubrizierung: 2.612.23 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Reinhard Olschanski: Ressentiment. München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39485-ressentiment_47901, veröffentlicht am 03.03.2016. Buch-Nr.: 47901 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken