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Janne Mende

Kultur als Menschenrecht? Ambivalenzen kollektiver Rechtsforderungen

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015 (Campus Forschung); 262 S.; 36,90 €; ISBN 978-3-593-50315-8
Diss. Gießen. – Kann es ein kollektives Menschenrecht auf Kultur und Identität geben? Diese in der Philosophie und Politikwissenschaft umstrittene Frage greift Janne Mende auf, indem sie theorie‑ und empiriegeleitet die „Größen und Grenzen, die Reichweite, die Begründungsmöglichkeiten und die Begründungsprobleme kollektiver Rechtsforderungen innerhalb des Menschenrechtsrahmens“ (22) ausführlich analysiert. In den ersten beiden Kapiteln erarbeitet sie die theoretischen und analytischen Grundlagen. Entlang von drei in der Diskussion bedeutenden Theorieansätzen spannt sie den „Konfliktrahmen“ (25 ff.) auf, der die Debatte über das Verhältnis von individuellen und kollektiven Menschenrechten markiert. Dazu zählen erstens der kommunitaristische Ansatz von Charles Taylor sowie, zweitens, die liberale Theorie der gruppendifferenzierten Rechte von Will Kymlicka. Mende legt dar, wie aus „konträren theoretischen Perspektiven […] beide Autoren die Notwendigkeit kollektiver Rechte“ (30 f.) begründen, und kontrastiert dies, drittens, mit dem quer zu dieser Debatte liegenden feministischen Liberalismus von Susan Moller Okin, die sich angesichts der „Machtstrukturen und geschlechtsspezifischen Effekte“ (62) von Kulturen gegen einen kollektivrechtlichen Schutz ausspricht. Nachdem die Autorin anschließend die Schlüsselbegriffe dieser drei Ansätze – Kultur und Identität sowie Gesellschaft und Individuum – nach ihrem analytischen und normativen Gehalt befragt hat, erfolgt im dritten Kapitel eine empirische Untersuchung am Beispiel indigener Rechte. Hierfür unternimmt Mende eine inhaltsanalytische und interpretative Auswertung von Dokumenten aus den Konferenzen des für indigene Belange wichtigen internationalen Organs United Nations Permanent Forum on Indigenous Issues (UNPFII). Interessanterweise zeigt sich bei der Analyse der Argumentationslinien, dass die „vielfach vorgenommene Reduktion indigener Forderungen auf kulturelle Rechte […] korrigiert werden [muss]“ und individuelle Menschrechte „ein zentrales alternatives Begründungsmuster“ (211) bilden. Ihre weiteren Überlegungen führen die Autorin zu dem Vorschlag, die „Zurückdrängung von Leiden“ (223) als Maßstab für eine Orientierung bei der Abwägung zwischen individuellen und kollektiven Rechten zu nehmen, was auch in indigenen Rechtsforderungen ein wichtiges Anliegen darstellt. Eine eindeutige Positionierung für oder gegen die Durchsetzung kollektiver Menschenrechte bleibt angesichts der aufgezeigten Ambivalenzen freilich aus: „Die Integration von Kultur, Identität und kollektiven Rechten in den Rahmen universeller Menschenrechte kann vor den diskutierten Hintergründen nur bedingt und umsichtig erfolgen.“ (225)
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Rubrizierung: 4.425.425.43 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Janne Mende: Kultur als Menschenrecht? Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38565-kultur-als-menschenrecht_46798, veröffentlicht am 25.06.2015. Buch-Nr.: 46798 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken