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Manfred Sohn

Am Epochenbruch. Varianten und Endlichkeit des Kapitalismus

Köln: PapyRossa Verlag 2014; 222 S.; 14,90 €; ISBN 978-3-89438-547-7
„Es mutet über sechs Jahre nach dem großen Crash merkwürdig an, dass die ganzen seitdem ergriffenen Maßnahmen […] die Krise bis heute eben nicht wesentlich lösen konnten“ (68), fasst Manfred Sohn, Landesvorsitzender der Partei DIE LINKE in Niedersachsen, seine Überlegungen zusammen. Er stellt in Anlehnung an Karl Marx die Thesen auf, dass erst die kapitalistische Gesellschaft selbst die Voraussetzungen für den Übergang zur sozialistischen Epoche geschaffen habe und dass seit der Finanzkrise 2007 auch die Notwendigkeit dafür bestehe. Der Kapitalismus habe seine „innere Schranke“ (55, 178) erreicht. Zwar führt Sohn mit diesen aktuellen Zeitdiagnosen und den Hinweisen zu den Folgen des kapitalistischen Wirtschaftssystems, beispielsweise in Bezug auf die voranschreitende Ökonomisierung oder die sinkenden Reallöhne, berechtigte Kritik und – aus seiner Sicht – notwendige Alternativen an; jedoch die Art und Weise beinhaltet, neben Wertungen, Pauschalurteilen und unwissenschaftlichen Aussagen, ein rein ökonomisch‑deterministisches Geschichtsverständnis mit teils stark zu hinterfragenden Schlussfolgerungen. Beispielhaft hierfür stehen die vorgenommene Epocheneinteilung, in der Sohn von der Existenz einer klassenlosen Urgesellschaft ausgeht, der Hinweis auf den Rückgang der Geburtenrate, den er ausschließlich auf die kapitalistische Wirtschaftsordnung zurückführt, und die teils unhinterfragte Anwendung der marxistischen Theorie auf die moderne Gesellschaft. Die konkreten realpolitischen Ausführungen des Übergangs hin zur sozialistischen Epoche zeugen hingegen von einem organisationspolitischen Verständnis. Aufgrund der veränderten ökonomischen und technologischen Bedingungen bedarf es nach Ansicht des Politikers dezentraler und kommunaler Formen der Entscheidungsfindung durch Räte – somit einen neuen Sozialismus. Auch wenn die angesprochenen Probleme, die sozialen Verwerfungen des kapitalistischen Systems, der Bedarf einer (oppositionellen) politischen Kritik und das Aufzeigen von politischen Alternativen gerechtfertigt sind, findet eine auf Fakten beruhende Auseinandersetzung mit der hochaktuellen Thematik zur Reformnotwendigkeit des Kapitalismus somit nur selten – und wenn ja, auf unstrukturierte Weise – statt. Wissenschaftliche Veröffentlichungen anderer Autoren und der im Zuge der Finanzkrise 2007 entstandene aktuelle Diskurs zur selben Thematik zeigen, dass man auf Pauschalurteile im Sinne von „richtig“ (7) und „falsch“ verzichten kann.
Christian Heuser (CHE)
Student der Politikwissenschaft und Soziologie, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Universität Bonn.
Rubrizierung: 2.22 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Manfred Sohn: Am Epochenbruch. Köln: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37299-am-epochenbruch_45401, veröffentlicht am 17.07.2014. Buch-Nr.: 45401 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken