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Andreas Nölke / Christian May / Simone Claar (Hrsg.)

Die großen Schwellenländer. Ursachen und Folgen ihres Aufstiegs in der Weltwirtschaft

Wiesbaden: Springer VS 2014 (Globale Politische Ökonomie); 446 S.; 49,99 €; ISBN 978-3-658-02536-6
Von der Finanzkrise sind vor allem westliche Industrienationen betroffen, also jene Staaten, die einem (neo‑)liberalen Modell folgen und damit bei ihrer wirtschaftlichen Weiterentwicklung zuletzt eher auf den Faktor der Deregulierung gesetzt haben. Große Schwellenländer – wie Brasilien, Indien und China, die im Mittelpunkt dieses Bandes stehen –, scheinen weit weniger unter der Krise zu leiden. Die Herausgeber gehen deshalb davon aus, dass sie „binnen einer Generation die Länder der Triade (Westeuropa, Japan und die USA) hinsichtlich ihres wirtschaftlichen Gewichts überholen“ (9). Die Frage nach den Ursachen und Folgen dieses Aufstiegs, die in diesem Band gestellt wird, ist spannend – geraten doch so die Besonderheiten ihrer Kapitalismen und damit das jeweils spezifische Verhältnis zwischen Politik und Ökonomie in das Blickfeld. Die Beiträge gehen zurück auf eine Tagung der DVPW‑Sektion „Entwicklungspolitik und Entwicklungstheorie“, und so werden die Analysen der kapitalistischen Besonderheiten mit denen der Entwicklung eng gekoppelt. In den ersten Aufsätzen wird zunächst Grundsätzliches geklärt, wobei sich Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zeigen. Von Christian May stammt der wichtige Hinweis, dass in Brasilien, Indien und China die Wirtschaft „nicht durch das Marktprinzip dominiert wird“ (85), sondern durch persönliche Beziehungen – über Clanstrukturen (Brasilien), Familienunternehmen (Indien) oder Netzwerke für Gefälligkeiten (China). Dieses gemeinsame Merkmal der Reziprozität hat dennoch zu unterschiedlichen Transformationspfaden geführt, wie Stefan Schmalz und Matthias Ebenau erläutern. Seit den frühen 1990er‑Jahren treibt China einen komplexen Strukturwandel mit ungewissem Ausgang voran und setzt Indien auf eine Verstetigung der Neoliberalisierung. In Brasilien dagegen orientiert sich der Staat seit 2003 wieder an entwicklungspolitischen und damit eher sozialdemokratischen Strategien. So ist es nicht verwunderlich, dass in den weiteren, durchweg lesenswerten Beiträgen sehr verschiedene Facetten der wirtschaftspolitischen Strategien wie der sich ändernden Süd‑Süd‑Beziehungen aufgefächert werden. Mit Blick auf die Implikationen des Aufstiegs der Schwellenländer für die globale politische Ökonomie ist schließlich unter anderem der Beitrag von Wolfram Schaffar über die Erteilung von Zwangslizenzen für HIV‑Medikamente durch das thailändische Gesundheitsministerium ab 2006 erhellend: Ein Akteur, der nach den gängigen Theorien keinen Einfluss hätte haben dürfen, setzte neue Maßstäbe für die Lösung eines „transnationale[n] soziale[n] Konflikt[s]“ (363).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.434.444.452.652.682.672.634.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Andreas Nölke / Christian May / Simone Claar (Hrsg.): Die großen Schwellenländer. Wiesbaden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36910-die-grossen-schwellenlaender_45072, veröffentlicht am 27.03.2014. Buch-Nr.: 45072 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken