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Niels Spilker

Lebenslanges Lernen als Dispositiv – Bildung, Macht und Staat in der neoliberalen Gesellschaft

Münster: Westfälisches Dampfboot 2013; 310 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-89691-950-2
Diss. FU Berlin; Begutachtung: B. Zeuner, S. Jäger. – Der Terminus vom lebenslangen Lernen ist in den vergangenen Jahren stets wiedergekehrt, wenn es um die Ausformulierung gesellschaftlicher Veränderungen, staatlicher Anpassungsmaßnahmen oder politischer Sonntagsreden geht. Wer sich an vergleichbare Ausdrücke der vergangenen Jahrzehnte wie Standortdebatte, Globalisierung oder Nachhaltigkeit erinnert fühlt, liegt vermutlich nicht falsch. Niels Spilker bemüht sich in den einleitenden Kapiteln zunächst um eine theoretische Grundlegung dieses Dispositivs lebenslanges Lernen. Ausgehend von einer auf Foucault aufbauenden Machtanalyse und anknüpfend an Poulantzas und Gramsci gelingt ihm dabei eine fundierte Auseinandersetzung mit der aktuellen Bildungslandschaft im Dreieck von Staat, Regulation und Hegemonie. Diese theoretische Grundlegung wird mit einer dokumentenbasierten Interpretation der deutschen Bildungslandschaft ergänzt. Diese kann allerdings angesichts der Konzentration auf wenige Bezugsdokumente, die als paradigmatisch für die Ausrichtung des gesamten Bildungssystems gesetzt werden, nur eingeschränkt überzeugen. Als wichtig erweist sich jedoch die implizit aufgeworfene Frage nach dem Stellenwert des lebenslangen Lernens. Spilker zieht hier einen weiten Kreis, der bis hin zur Entwicklung des Topos „aktivierende Sozialpolitik“ als Paradigma neoliberaler Ungleichheitslegitimation reicht. „Eigenverantwortliches lebenslanges Lernen ist ein zentrales Element einer aktivierenden Sozialpolitik, und in der Rationalität des aktivierenden Sozialstaats wird der Dualismus zwischen Mobilität und Immobilität zur gesellschaftspolitischen Maßgabe aufgebaut.“ (120) Diese umfassende These soll durch eine empirische Untersuchung am Beispiel der Volkshochschulen untermauert werden, was unter anderem anhand leitfadengestützter Interviews mit den Leitungen dieser Einrichtungen erfolgt. Der Autor vertritt hier die fast absolutierende Einschätzung des Dispositivs des lebenslangen Lernens als „Konstituierung und Regierbarmachung von Staatskörpern, der Bevölkerung und ihrer Problemzonen, des eigenverantwortlichen Subjekts sowie der unternehmerischen und flexiblen Bildungseinrichtung“ (146). Die Nähe zur politisch weit entfernten neoliberalen Ideologie ist hier frappierend. Geht der Autor womöglich selber einem anderen Dispositiv auf dem Leim? Man könnte dies meinen, zumal die skizzierten Gegenstrategien deutlich hinter den theoretischen Grundlegungen zurückfallen und mit dem Ratschlag „Anders formuliert braucht es eine Repolitisierung des hegemonialen Privaten“ (279) keine brauchbare und konkrete Alternative vermitteln.
Thorsten Schumacher (THS)
M. A. (Politikwissenschaft, Philosophie, Öffentliches Recht), Referent im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Rubrizierung: 2.2 | 2.263 | 2.343 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Thorsten Schumacher, Rezension zu: Niels Spilker: Lebenslanges Lernen als Dispositiv – Bildung, Macht und Staat in der neoliberalen Gesellschaft Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36645-lebenslanges-lernen-als-dispositiv--bildung-macht-und-staat-in-der-neoliberalen-gesellschaft_44841, veröffentlicht am 23.01.2014. Buch-Nr.: 44841 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken