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Gertrud Lenz

Gertrud Meyer. 1914-2002. Ein politisches Leben im Schatten Willy Brandts

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2013; 394 S.; brosch., 39,90 €; ISBN 978-3-506-77569-6
Sie war die erste Frau, die im Schatten von Willy Brandt stand. Dabei war Gertrud Meyer weitaus mehr als eine politische Gefährtin und seine zeitweilige Partnerin. Sie war im Widerstand, emigrierte nach Norwegen, arbeitete bei Wilhelm Reich, folgte diesem in die USA, kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Europa zurück. Resigniert musste sie feststellen, dass sich ihrer und Brandts Lebensweg in privater wie politischer Hinsicht im Verlauf des Zweiten Weltkriegs auseinander entwickelt hatten. Doch anders als ihr einstiger gemeinsamer Mentor in der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), Jacob Walcher, verschlug es Meyer nicht in die DDR. Sie blieb in Norwegen, dort, wo es in der Zwischenkriegszeit maßgeblich an ihr gelegen hatte, die Auslandsgruppe der SAP zu organisieren. Mochte Brandt das Gesicht und der Kopf der Gruppe über lange Zeit gewesen sein, ohne ihre Fähigkeiten, Ressourcen zu beschaffen oder Reisen detailliert zu planen, wäre Oslo wohl kein bedeutender Stützpunkt dieser Partei geworden. So legt es Gertrud Lenz‘ Biografie nachvollziehbar nahe. Dabei wird die Biografin nicht müde zu erwähnen, dass Meyers Beitrag „in den Autobiografien Willy Brandts nicht thematisiert wird“ (87). Meyer selbst hielt sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, wollte Brandt nicht irgendwie schaden, wurde aber auch nicht von anderer Seite zu Rate gezogen, wenn es darum ging, den langjährigen SPD‑Vorsitzenden zu porträtieren. Sie war gleichsam in Vergessenheit geraten oder war allenfalls die einstige Frau an seiner Seite. Leider gebührt auch ein Großteil dieser Darstellung dem „Politstar“ (79) Willy Brandt. Dadurch gelingt es Lenz letztlich nicht, Meyer aus seinem Schatten herauszulösen. Besonders deutlich wird das am Ende: In Lenz' Darstellung heiratete Meyer geradezu plötzlich, ja ein wenig unvermittelt, zog sich dann aus dem politischen Leben weitgehend zurück, bekam zwei Kinder und arbeitete als Sekretärin in einem Patentbüro. Natürlich wird dieser biografische „Einschnitt“ (255) mit dem „traditionellen Familienmuster“ (255) erläutert und doch wirkt es merkwürdig, wie abrupt sich diese doch so durch und durch politisierte Frau dann mit einem Male zurückgezogen hat.
Stephan Klecha (SKL)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.3 | 2.312 | 2.31 Empfohlene Zitierweise: Stephan Klecha, Rezension zu: Gertrud Lenz: Gertrud Meyer. Paderborn u. a.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36496-gertrud-meyer_42817, veröffentlicht am 12.12.2013. Buch-Nr.: 42817 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken