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Marcel Baumann

Schlechthin böse? Tötungslogik und moralische Legitimität von Terrorismus

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2013; XII; 348 S.; 34,95 €; ISBN 978-3-531-17333-7
„Kann man Unterscheidungen zwischen ‚jemanden einfach so zu töten‘ und zulässigen Gewalttaten treffen?“ (2) Hinsichtlich dieser Frage untersucht Marcel Baumann die Motive und Entscheidungen von Gewaltakteuren, um deren Rechtfertigungsstrukturen zu verstehen. Zentraler Begriff bei Baumann ist die „legitimitätssuchende Selbstverständigung“, eine Rechtfertigungsstrategie innerhalb der Selbstverständigung der Gewaltakteure: „Gewalthandlungen werden als Aktionen mit rationalen Bedeutungen kommuniziert.“ (3) Dazu unterscheidet er verschiedene Topoi der Gewalt‑Legitimation, so etwa die Legitimität durch Historizität: „Symbolik und Bedeutung vergangener Kämpfe und Kriege werden für den aktuell stattfindenden Krieg neu ins Leben gerufen, die Vergangenheit wird für die Zukunft (re‑)interpretiert“. (130) Auf diese Weise werden kollektive Erinnerungen instrumentalisiert. Eher ideologische Legitimationen bieten der Kampf für die „gerechte Sache“ und die moralische Autorität: Diese „besteht im Bewusstsein, legitime anti‑staatliche Gewalt oder legitimen Widerstand auszuüben“ (136). Im Mittelpunkt steht für Baumann allerdings die „ethische Selbstbegrenzung des Tötens“: Legitimität wird „im Prozess der legitimitätssuchenden Selbstverständigung dadurch zu erreichen versucht, dass Gewaltaktionen mit einer restriktiven Zielauswahl durchgeführt werden“ (147). Grundlage dafür ist eine ethische Unterscheidung zwischen Kämpfern und Zivilisten. Im Anschluss setzt sich Baumann mit seinen Ergebnissen in einer moralphilosophischen Analyse noch intensiver auseinander: Wie sinnvoll ist der Opferbegriff, wenn auch Täter jederzeit zu Opfern werden können? Die Arbeit beruht auf einer sehr gründlichen Literaturauswertung und kritischer Theoriereflexion, jedoch wären zuweilen eine größere Distanz zu den Quellen und ein deutlicherer roter Faden wünschenswert gewesen. Die mangelnde Abstraktion geht stellenweise zu Lasten der Verständlichkeit, weshalb der Zielgruppenangabe „Politisch und gesellschaftlich Interessierte“ in der Verlagsinformation nicht uneingeschränkt zuzustimmen ist.
Simone Winkens (SWI)
M. A., Politikwissenschaftlerin, Online-Redakteurin.
Rubrizierung: 2.25 | 4.41 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Simone Winkens, Rezension zu: Marcel Baumann: Schlechthin böse? Wiesbaden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36443-schlechthin-boese_38747, veröffentlicht am 28.11.2013. Buch-Nr.: 38747 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken