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Andreas Th. Müller / Jodok Troy (Hrsg.)

Ein Mann, der wurde, was er konnte. Dag Hammarskjöld zum 50. Todestag

Berlin: Duncker & Humblot 2012 (Beiträge zur Politischen Wissenschaft 173); 176 S.; kart., 68,- €; ISBN 978-3-428-13798-5
Als Dag Hammarskjölds Flugzeug in der Nacht vom 17. auf den 18. September 1961 über Nord-Rhodesien abstürzte, befand sich der kurz darauf posthum mit dem Friedensnobelpreis geehrte UN-Generalsekretär auf einer durch die Kongo-Krise notwendig gewordenen Vermittlungsmission. Was er mit dieser Reise hätte erreichen können, wird sich wohl ebenso wenig klären lassen wie die genauen Umstände, die zum Absturz seiner Maschine führten. Als umso wichtiger erweist sich die in diesem Band unternommene Retrospektive auf das Leben und Wirken eines Mannes, der kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein Amt übernommen hatte, dessen Konturen noch ausdeutungsbedürftig waren. In einem kurzen Beitrag skizziert der jetzige Nachfolger Hammarskjölds, Ban Ki-moon, dessen diplomatischen Nachlass, der gleichsam zu einer Verpflichtung für die gesamten Vereinten Nationen geworden sei. Diese Verpflichtung bestehe in der beständigen Orientierung am „concept of preventive diplomacy“ (17). Angesichts der nach wie vor schwierigen globalen Menschenrechtslage und den vielfältigen Bemühungen um Peacebuilding und Peacekeeping durch die Vereinten Nationen gebe es noch vielerlei Anlässe, so Bans Einschätzung, um das volle Potenzial multilateraler Diplomatie auszuschöpfen. Carl Bildt stimmt dieser Einschätzung grundsätzlich zu, betont dabei aber auch, dass das Engagement der Vereinten Nationen für eine bessere, gerechtere, sozialere Welt bislang ohne Beispiel und dabei zugleich beispielgebend sei. In dieser Sicht deutet sich auch eine dunklere, eine leidvollere Perspektive auf den von den Vereinten Nationen geführten Kampf um das Schicksal der Welt an. So fragt Wolfgang Palaver in seinem Beitrag: „Sind [...] tatsächlich Opfer nötig, um in unserer modernen Welt Frieden zu stiften?“ (166) Hammarskjöld sei sich – das legen auch die posthum erschienenen Aufzeichnungen in seinem „Spirituellen Tagebuch“ nahe – der Erfordernis eines gewissen Masochismus bewusst gewesen, der, so Palaver, für das Beschreiten dieses beispiellosen Wegs unumgänglich gewesen sei. Aus der von Clemens Sedmak rekonstruierten Trias der „tiefen Politik“ (158) Hammarskjölds wird diese aufopferungsvolle Aufgabe, der er sich gegenüber sah, deutlich: Die Welt ist nicht perfekt, in ihr lebt eine Pluralität von Menschen und angesichts dieser Befunde muss es die selbstauferlegte Pflicht der Politik sein, eine „würdige Lebensgestaltung“ (158) zu ermöglichen. Ein wenig erinnert diese Konstellation an Sisyphos – Hammarskjöld könnte durchaus als eine moderne Verkörperung des antiken Vorbildes begriffen werden.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.1 | 4.3 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Andreas Th. Müller / Jodok Troy (Hrsg.): Ein Mann, der wurde, was er konnte. Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35608-ein-mann-der-wurde-was-er-konnte_42969, veröffentlicht am 03.01.2013. Buch-Nr.: 42969 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken