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Matthias Schulze

Die Sprache der (Un-)Sicherheit. Die Konstruktion von Bedrohung im Sicherheitspolitischen Diskurs der Bundesrepublik Deutschland

Marburg: Tectum Verlag 2012 (Politikwissenschaften 51); 158 S.; pb., 24,90 €; ISBN 978-3-8288-2948-0
Magisterarbeit Jena; Begutachtung: R. Biermann. – Sicherheit ist auch eine Frage der Wahrnehmung von Bedrohungen; das gilt für ängstliche Nationen in besonderem Maße (erinnert sei an „German Angst“), droht doch hier regelmäßig panische Überreaktion ebenso wie leichte politische Instrumentalisierung mittels Deutungshoheit. Am Beispiel von „Vorratsdatenspeicherung“ und „Online-Durchsuchung“ untersucht Schulze mithilfe des konstruktivistischen „Securitization-Ansatzes“ den „sicherheitspolitischen Diskurs der letzten Jahre (2005-2010) und erklärt, inwiefern durch Sprache systematisch konstruierte Unsicherheit als Legitimationsgrundlage für strittige, weil grundrechtlich bedenkliche Gesetze genutzt wird“ (11), „welche Funktion also der [...] Diskurs für bestimmte Akteure hat“ und „was die Erfolgsbedingungen [...] sind“ (14 f.). Zu Recht wird dabei eine Dominanz juristischer Zugänge bei der Bewertung der Anti-Terror-Maßnahmen in der hiesigen Forschung kritisiert. Ausgeblendet werde zumeist völlig das Verständnis von Sicherheit und die Wahrnehmung von Bedrohung beim Prozess der Gesetzgebung. Als Datenbasis für seine Analyse dienen Schulze die Bundestagsdebatten, rund 800 Artikel aus Wochen- und Tageszeitungen (insbesondere Spiegel und Zeit, kaum aber FAZ und SZ) sowie ca. 400 Artikel, die in Online-Medien erschienen sind. Schulze kommt u. a. zu dem – nicht so überraschenden – Ergebnis, dass „vor allem konservative Regierungsmitglieder zu teilweise drastischen Bedrohungskonstruktionen“ neigten und „die Innenminister der Länder und des Bundes [...] die dominierenden Bedrohungskonstrukteure“ waren, die „vornehmlich durch das Bundeskriminalamt und die Gewerkschaft der Polizei“ (135) unterstützt wurden. Dabei lässt sich auch ein Spillover-Effekt beobachten, weil „die Netzpolitik zunehmend durch Deutungsweisen [...] der Sicherheitspolitik dominiert“ und das „Internet [...] als Bedrohungsraum für den Rechtsstaat inszeniert“ (136) wurde. Diese Entwicklung sei allenfalls unter Innenminister de Maizière im Zusammenspiel mit der FDP abgeschwächt worden, schreibt Schulze. Insgesamt verstärkten sich aber die Tendenzen zu mehr Prävention, Freund-Feind-Dichotomien, Grundrechtserosion, Aufweichung von Trennungsgeboten und dem „Ruf nach weiteren Befugnissen“, die „einer Logik der kleinen Schritte“ (138) folgten.
Robert Chr. van Ooyen (RVO)
Dr., ORR, Hochschullehrer für Staats- und Gesellschaftswissenschaften, Fachhochschule des Bundes Lübeck; Lehrbeauftragter am OSI der FU Berlin sowie am Masterstudiengang "Politik und Verfassung" der TU Dresden.
Rubrizierung: 2.35 | 2.343 | 4.21 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Matthias Schulze: Die Sprache der (Un-)Sicherheit. Marburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35591-die-sprache-der-un-sicherheit_42949, veröffentlicht am 29.11.2012. Buch-Nr.: 42949 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken