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Jan Renker

Markt und Gerechtigkeit. Untersuchungen zum Selbstverständnis des Bürgers im Ausgang von Rawls, Kant und Hegel

Würzburg: Ergon Verlag 2012 (Studien zur Phänomenologie und praktischen Philosophie 27); 306 S.; kart., 38,- €; ISBN 978-3-89913-854-2
Diss. Freiburg; Begutachtung: H.-H. Gander, L. Hühn. – Die Marktwirtschaft sei die produktivste Wirtschaftsordnung, bleibe aber ungeliebt, stellt der Autor, den Ökonomen Viktor Vanberg zitierend, fest. Auf der Suche nach der Ursache dieses Paradoxons fragt Renker nach dem Selbstverständnis der Bürger und ihrem Gerechtigkeitsgefühl im Kontext der Marktwirtschaft. Er beginnt mit einer Erörterung von Rawls’ „Theorie der Gerechtigkeit“ und damit der Deutung, dass sich das Gefühl der sozialen Gerechtigkeit als Ablehnung des moralischen Zufalls verstehen lässt. Das Gerechtigkeitsgefühl der modernen Bürger basiere auf der „Achtung und Behandlung aller Menschen als moralische Subjekte entsprechend ihrer gleichen Menschenwürde“ (84). Verwirklicht werde dieser Gedanke in einem optimalen Zusammenspiel von Marktgeschehen und staatlichen Institutionen. Renker bemängelt, dass sich bei Rawls keine konkreten Aussagen zur Gerechtigkeit finden lassen und zudem ein qualifizierter Begriff des Bürgers fehlt. Diesen sucht er im zweiten Teil bei Kant, der allerdings das Verhältnis von Marktwirtschaft und Gerechtigkeit nicht explizit herausgearbeitet habe. Kant fasse Gerechtigkeit als Rechtsidee, sie sei damit „Ausdruck für diejenige (rechtliche) Ordnung des menschlichen Zusammenlebens, unter deren Bestimmungen Menschen sich und ihr Handeln als vernünftig verstehen können“ (150). Der Staat gewährleiste Freiheit und Gleichheit, der Sozialstaat aber kann Renker zufolge mit den Begriffen Kants ebenso wenig gedacht werden wie alltägliche normative Selbstverständnisse und das infrage stehende Gefühl der Gerechtigkeit. Beim dritten Versuch der Klärung zieht Renker Hegels Rechtsphilosophie zurate, orientiert explizit an den Überlegungen Michael Theunissens und Axel Honneths. Hegel habe angesichts der aufkommenden Marktwirtschaft den Menschen vor allem als Wirtschaftssubjekt verortet sowie die Beziehungen der Menschen, die eine Gesellschaft bilden, betont. Das Gerechtigkeitsgefühl werde an Fragen der ökonomischen Partizipation und der Autonomie gekoppelt. In seiner kurzen Schlussbetrachtung bleibt Renker diesem Gedanken – ohne intensivere Problematisierung – verhaftet. Es fehlt eine weiterführende Synthese, sie muss vielleicht sogar fehlen, hat Renker mit Rawls und Kant doch zwei Denker in seine Untersuchung einbezogen, die zum Markt wenig oder nichts gesagt haben. Zu vermissen ist außerdem, dass das Verhältnis zwischen Markt und Gerechtigkeitsgefühl nicht explizit – obwohl im Text zwangsläufig immer wieder geschehen – in der Trias mit dem Staat untersucht wird.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.1 | 5.33 | 5.42 | 5.46 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jan Renker: Markt und Gerechtigkeit. Würzburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35490-markt-und-gerechtigkeit_42802, veröffentlicht am 15.11.2012. Buch-Nr.: 42802 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken