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Jan Philipp Engelke

Die Transformation der Russischen Föderation. Eine Analyse historisch-kultureller Einflüsse

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Politika. Passauer Studien zur Politikwissenschaft 8); 165 S.; 34,- €; ISBN 978-3-8329-7599-9
Diss. Passau; Begutachtung: H. Oberreuter, U. Kranenpohl. – Den Ausgangpunkt der Untersuchung bildet eine provokante These: Der Aufbau einer liberalen Demokratie werde in Russland durch historisch bedingte antiliberale Tendenzen erschwert. Es sei fraglich, ob eine solche Demokratie überhaupt für das Land geeignet sei. Im ersten Abschnitt analysiert der Autor auf der Grundlage von Wolfgang Merkels Definition den russischen Transformationsprozess. Die Verfassung des Landes biete eigentlich gute Voraussetzungen für eine liberale Entwicklung, so lautet ein Ergebnis, ebenso das wirtschaftliche Niveau und der Bildungsstand der Eliten. Die Verfassungswirklichkeit, in der wichtige Grundrechte außer Kraft gesetzt seien, sowie die schlechte Performanz des Systems und seiner Institutionen sprechen jedoch eine andere Sprache. Als einen Grund dafür identifiziert Engelke im zweiten Abschnitt „historisch-narrative Muster“ und kulturelle „Konstituenten, die ihrem Grunde nach in Richtung der liberalen Demokratie hinderlich wirken“ (129). Die Rechte des Staates werden gegenüber denen des Individuums höher bewertet und Probleme wie Korruption und fehlende wirtschaftliche Innovationen zwar erkannt, Lösungskonzepte jedoch nicht entwickelt. Russland sei damit mehr als zwanzig Jahre nach dem Ende der Sowjetunion noch immer ein „Land auf der Suche nach seinem eigenen Platz“ (150), die Entwicklung demokratischer Standards werde aufgrund eines autoritär geprägten Umfelds erschwert. Angesichts dieser historischen Argumentation wäre eine intensivere Rezeption entsprechender Literatur wünschenswert gewesen, diese erfolgt oft nur selektiv beziehungsweise indirekt und in tendenziell missverständlichem Vokabular – so geht es Leonid Luks und seinen Mitarbeitern keineswegs um ein „Fortschreiben des Eurasismus“ (22), sondern um eine Erforschung der aktuellen Bezugnahmen auf dieses Konzept; die Arbeiten von Raphael Utz zum russischen Nationalismus sprechen von einer „unbrauchbaren Vergangenheit“, keiner „brauchbaren“ (21) usw. Das hehre Ziel interdisziplinären Arbeitens stößt hier gelegentlich an seine Grenzen.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.62 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Jan Philipp Engelke: Die Transformation der Russischen Föderation. Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35432-die-transformation-der-russischen-foederation_42709, veröffentlicht am 06.09.2012. Buch-Nr.: 42709 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken