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Konrad J. Kuhn

Entwicklungspolitische Solidarität. Die Dritte-Welt-Bewegung in der Schweiz zwischen Kritik und Politik (1975-1992)

Zürich: Chronos Verlag 2011; 461 S.; 47,50 €; ISBN 978-3-0340-1090-0
Geschichtswiss. Diss. Zürich; Begutachtung: J. Tanner, G. Krüger. – Der Autor untersucht die Entwicklung der schweizerischen Dritte-Welt-Bewegung in der Zeit von 1975 bis 1992 auf der theoretischen Grundlage einer „Kulturgeschichte des Politischen“ (27) und anhand einer umfangreichen Quellenanalyse. Im Mittelpunkt steht die Struktur der entwicklungspolitischen Kommunikation dieser Bewegung. Entsprechend werden die Kämpfe um den politischen Kommunikationsraum und das Erreichen von Deutungsmacht analysiert. Hervorgehoben werden einzelne Diskursereignisse, dazu zählen z. B. verschiedene Hungeraktionen, eine Entschuldungspetition oder auch das IWF-Weltbank-Referendum 1991-1992. Daraus ergeben sich dem Autor zufolge Forschungserkenntnisse, die von Bedeutung seien für eine Geschichte des entwicklungspolitischen Diskurses der Dritte-Welt-Bewegung in der Schweiz. Zum ersten arbeitet Kuhn eine äußerst wirksame Pfadabhängigkeit heraus, die mit dem 1981 angedrohten Referendum gegen einen Beitritt der Schweiz zu den Bretton-Woods-Institutionen beginnt. Diese Referendumsdrohung habe für die beteiligten Akteure in der Bewegung einigend und mobilisierend gewirkt, auch habe sich damit eine Referendumsfähigkeit bewiesen. Zweitens habe sich aber gezeigt, dass es an einer gemeinsamen theoretischen Basis gefehlt habe, sodass es zu einem Orientierungsverlust gekommen sei. Drittens seien in dem analysierten Zeitraum zahlreiche Brüche erkennbar, die der Autor als Verfallsprozess beschreibt. Ihren Höhepunkt fanden die unüberbrückbaren Differenzen und Meinungsverschiedenheiten über die inhaltliche Ausrichtung in der Thematisierung der Verschuldung ab 1989 und der Frage des Referendums gegen einen Bretton-Woods-Beitritt der Schweiz. Zugleich sei dieser Niedergang durch eine zunehmende Professionalisierung der Entwicklungszusammenarbeit gefördert worden. Hinzu sei die Einsicht gekommen, „dass ‚entwicklungspolitische Solidarität‘ eine Praxis darstellte, die Dritte Welt mit machtverstrickten Wissensproduktionen zu repräsentieren“ (421), was nach 1992 die Weiterexistenz der ehemals breiten schweizerischen Dritte-Welt-Bewegung in der Schweiz verhindert habe.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.5 | 2.22 | 2.23 | 4.44 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Konrad J. Kuhn: Entwicklungspolitische Solidarität. Zürich: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34752-entwicklungspolitische-solidaritaet_41773, veröffentlicht am 05.04.2012. Buch-Nr.: 41773 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken