Der US-amerikanische Humangeograf und Sozialtheoretiker David Harvey legt mit seiner Einführung in das Hauptwerk von Karl Marx ein Buch vor, das auf Video- und Tonaufnahmen von Vorlesungsreihen aus dem Jahr 2007 basiert. Der Vorlesungscharakter ist dem Text durch die direkte Ansprache und einen insgesamt eher lockeren Stil erhalten geblieben. Harvey formuliert als Ziel, Marx anhand der eigenen Begrifflichkeiten zu verstehen. Da er Marx dafür mittels seiner dialektischen Methode verstehen muss, hebt er sich von analytischen Marxisten wie beispielsweise Cohen ab. Das Buch, das ausschließlich dem ersten Band des Kapitals gewidmet ist, kann gleichermaßen als Lektürehilfe wie Einführung verstanden werden – gleichwohl stellt es Harveys spezielle Lesart des Kapitals dar. Der Autor bespricht das Buch in dessen unveränderter Kapitelreihenfolge in einer sehr textnahen Weise: Es findet sich kaum eine Seite ohne längeres Zitat. Er berücksichtigt aber auch den Kontext des Werkes. So geht Harvey den bei Marx vielfältig vorhandenen literarischen und kulturellen Verweisen und Zitaten nach. Ferner situiert er die unterschiedlichen Textstellen in der zu Marx’ Zeiten geführten Debatte und verweist auf Anknüpfungspunkte in dessen anderen Werken. Er bezieht sich darüber hinaus auch auf Weiterentwicklungen der Marx’schen Theorie, wie beispielsweise bei Rosa Luxemburg. Schließlich spart Harvey nicht mit Verweisen auf an anderer Stelle erschienene Ausarbeitungen der eigenen Position und bringt auch Kritik an Marx an. Aufgrund des lockeren Stils handelt es sich bei dem Buch streng genommen eher nicht um einen fachwissenschaftlichen Beitrag. Vielmehr ist es an Studierende gerichtet, die sich zum ersten Mal mit Marx befassen. Aufgrund der großen Fülle von Informationen und der textnahen Arbeitsweise ist Harveys Einführung jedoch deutlich mehr als ein populärwissenschaftliches Buch und allgemein, auch für das Fachpublikum, lesenswert.