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Britta Rehder

Rechtsprechung als Politik. Der Beitrag des Bundesarbeitsgerichts zur Entwicklung der Arbeitsbeziehungen in Deutschland

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2011 (Schriften aus dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung); 400 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-593-39505-0
Habilitationsschrift Münster; Begutachtung: U. Willems, A. Zimmer. – Die Auseinandersetzung mit Gerichten in ihrer Rolle als politische Akteure ist in den USA seit Jahrzehnten wesentlicher Bestandteil der politologischen Forschung. In der deutschen Politikwissenschaft ist sie jedoch aus verschiedensten Gründen unterrepräsentiert. Britta Rehder wagte sich dennoch (oder gerade deshalb) an die Frage heran, wie auch deutsche Richterinnen und Richter rechtschöpfend tätig sind und zur inhaltlichen Ausgestaltung des Rechts beitragen. Als Beispiel dient das Bundesarbeitsgericht und die historische Entwicklung des sogenannten Günstigkeitsprinzips, wonach arbeitsrechtliche Vereinbarungen vom Tarifvertrag abweichen dürfen, sofern sie für den/die Arbeitnehmer/in günstiger sind. Am nunmehr schon 100 Jahre alten Tarifrecht und der bezüglichen Rechtsprechung lassen sich die Veränderungen der industriellen und sozialpartnerschaftlichen Beziehungen ablesen. Die Autorin konzentriert ihre Analyse auf die Arbeitsgerichtsbarkeit und hier wiederum auf die Lebensläufe der Bundesarbeitsrichterinnen und -richter. Mit den analytischen Mitteln des akteurszentrierten Institutionalismus untersucht Rehder den Wandel des Tarifrechts von der Weimarer Republik bis heute und weist immer wieder auf die problematische Absorption des Arbeits- durch das Privatrecht hin. Nach Meinung der Autorin artikulieren die Richterinnen und Richter Wertvorstellungen, erläutern die in der Rechtsordnung im- und explizit eingeschriebenen Werte einer Gesellschaft und entwickeln diese weiter. Allerdings endet ihre Analyse nicht gleichsam ethisch oder moralisch bei den Richterinnen und Richtern und ihrem Verhalten; vielmehr beachtet Rehder die strukturellen Bedingungen richterlicher Urteilsfindung und begreift Rechtsprechung „nicht als Resultat juristischer Methodenlehre, sondern als erklärungsbedürftiges Ergebnis eines politischen und sozialen Prozesses“ (43).
Tamara Ehs (TE)
Dr. phil., Politikwissenschaftlerin am IWK Wien und Lehrbeauftragte an der Universität Salzburg (http://homepage.univie.ac.at/tamara.ehs/)
Rubrizierung: 2.323 | 2.31 | 2.342 Empfohlene Zitierweise: Tamara Ehs, Rezension zu: Britta Rehder: Rechtsprechung als Politik. Frankfurt a. M./New York: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34204-rechtsprechung-als-politik_41039, veröffentlicht am 12.10.2012. Buch-Nr.: 41039 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken