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İlhan Arsel

"Frauen sind eure Äcker". Frauen im islamischen Recht. Übersetzt und hrsg. von Arzu Toker

Aschaffenburg: Alibri Verlag 2012; 394 S.; kart., 24,- €; ISBN 978-3-86569-027-2
Das zeitweilig in der Türkei verbotene Werk des 2010 verstorbenen Verfassungsrechtlers ist eine Fundamentalkritik an der Rolle der Frau im Islam. Erstmals 1987 veröffentlicht, liegt es nun in deutscher Übersetzung vor. Arsels Analyse hat jedoch nicht an Aktualität eingebüßt. Als erster türkischer Publizist setzt er sich kritisch damit auseinander, wie der Koran und islamische Gelehrte die Stellung der Frau festlegen. Sie werde ihrer Freiheit und ihres politischen Einflusses beraubt, an ihrer persönlichen Entfaltung gehindert und oftmals Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt. Arsel gibt dafür nicht vorislamischen Kultureinflüssen oder späteren Interpretationen durch einzelne Gelehrte die Schuld, sondern dem Propheten Mohammed selbst. Tatsächlich fällt es schwer, einschlägige Passagen wie „Die Männer stehen über den Frauen“ (Sure 4, Vers 34) historisch-relativierend einzuordnen. Freilich begeht Arsel denselben Fehler wie Islamisten und Fundamentalisten, die nur von „dem“ einen Islam sprechen. Dies gilt auch für die Behauptung der Scharia-Befürworter, keine andere Religion oder Ideologie verteidige die Rechte und Freiheiten der Frauen wie der Islam. Immer wieder zitiert Arsel einzelne Suren und Äußerungen islamischer Gelehrter, um diese Behauptung zu widerlegen. Die wortgetreue Interpretation des in einem schwer verständlichen, vieldeutigen Arabisch verfassten Koran muss indes scheitern. Reformerische Kräfte sind daher bemüht, diese Deutungsvielfalt zur Modernisierung der islamischen Glaubenswelt zu nutzen, doch auch dieses Vorgehen lehnt Arsel ab. Der Religionsgründer Mohammed habe Regeln entworfen, um seine eigene Sexualität möglichst weitschweifig ausleben zu können und um seine Eifersucht zu stillen. Letztlich ist Arsels Buch eine Generalabrechnung mit einer Weltreligion, die vor dem Hintergrund der republikanischen Geschichte der Türkei und dem bis heute anhaltenden Kulturkampf des Landes zu deuten ist. So sei die Scharia die „Ursache für die Rückständigkeit der türkischen Gesellschaft“ (56). Ob die Frauenfeindlichkeit in weiten Teilen der früheren und heutigen muslimischen Welt tatsächlich auf Mohammed selbst zurückzuführen ist, kann hier nicht beurteilt werden. Nicht-muslimische Leser erfahren aber durch die Lektüre, wie viel Ballast auf den Bemühungen um einen modernen Islam lastet. Und sie erkennen leichter die historische Dimension muslimischer Argumentationsmuster, etwa zu den Themen Verschleierung oder Zwangsehe. Leider ist das Buch trotz der Überarbeitung und Kürzung noch immer sehr redundant und langatmig. Arsels zentrale Thesen und Argumente wiederholen sich fortwährend.
Dirk Burmester (DB)
Dr., Politikwissenschaftler, wiss. Angestellter der Freien und Hansestadt Hamburg.
Rubrizierung: 2.232.632.27 Empfohlene Zitierweise: Dirk Burmester, Rezension zu: İlhan Arsel: "Frauen sind eure Äcker" Aschaffenburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33146-frauen-sind-eure-aecker_39610, veröffentlicht am 01.11.2012. Buch-Nr.: 39610 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken