Sozialwiss. Diss. Mannheim; Gutachter: Th. König, B. Rittberger. – Wird die EU durch die Osterweiterung handlungsunfähig oder werden substanzielle Reformen unmöglich? Vor der Erweiterung um zehn Staaten 2004 wurde von vielen erwartet, dass eine deutlich heterogenere Interessenlage in der EU entstehen würde, die in Verbindung mit bestehenden Vetorechten und den hohen Mehrheitshürden eine Blockadesituation hervorrufen könnte. Im Fall der Integration des Binnenmarktes wurde deshalb ein Reformstau vermutet. Am Beispiel der Verhandlungen über die „Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt“ prüft Daimer, ob diese Befürchtungen berechtigt waren. Sie zählte zu den ersten Vorhaben, das in der erweiterten EU diskutiert wurde. Kaum eine Richtlinie der EU hat so viel Aufmerksamkeit erlangt wie diese, mit ihr war ein großer Interessendissens verbunden, insbesondere zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten, den Daimer beschreibt. Tatsächlich sei es im Fall der Dienstleistungsrichtlinie gelungen, eine Einigung zu erzielen, der nahezu alle Regierungen zustimmen konnten, weshalb davon auszugehen sei, dass die in der EU existierenden institutionellen Gegebenheiten wie Gesetzgebungsverfahren und Abstimmungsregeln das Potenzial hätten, auch bei einer größeren Anzahl von Mitgliedstaaten noch zu funktionieren. Die erwartete Lähmung der EU durch einen Interessendissens ihrer Mitgliedstaaten sei also nach der Erweiterung nicht eingetreten. Außerdem zeige sich, „dass formale Institutionen zur Erklärung der Entscheidungsfindung in der EU beitragen“ (9) könnten.