Auch in seinem jüngsten Buch stellt Losurdo eine historische Bilanz infrage, diesmal jene des Liberalismus. Den Verklärungen einer Erfolgsgeschichte über die Freiheit des Individuums setzt er eine Analyse entgegen, die schonungslos jegliche Hagiografie erst aufzeigt, dann dekonstruiert. Unter Aufbietung bekannter (Locke, Tocqueville) und weniger bekannter (Vor-)Denker des Liberalismus schaut der Autor unter die Oberfläche einer Denktradition und misst sie an ihren politischen Ereignissen, insbesondere an den bislang vernachlässigten Aspekten. Losurdo beginnt seine Untersuchung mit einer historischen Rekonstruktion der Anfänge des Liberalismus und stößt dabei auf das Paradoxon der Verbindung von Freiheit und Unterdrückung: Die Sklaverei (der Schwarzen in den USA, aber auch der weißen Knechte in Europa) bestand nicht trotz des Erfolges der liberalen Revolution fort, sondern erfuhr gerade im Liberalismus ihre größte Entfaltung. In den vorgeblich liberalsten Gesellschaften grenzte sich die „Gemeinschaft der Freien“ (73) räumlich und/oder rassisch ab, sowohl nach außen (gegen andere Völker) als auch innerhalb der weißen Gemeinschaft (zum Beispiel gegen Frauen). Wenn man unter Liberalismus „das gleiche Recht jeden Individuums auf eine vom Gesetz garantierte freie Privatsphäre“ (125) versteht, werden die zahlreichen Ausschlussklauseln der liberalen Tradition zu inhärenten Widersprüchen, die die Niederschrift einer „Gegengeschichte des Liberalismus“, so der Untertitel, längst fällig gemacht haben.