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Gesine Schwan

Wege in eine gemeinsame Zukunft. Reden

Bonn: Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger 2010; 189 S.; brosch., 14,80 €; ISBN 978-3-8012-0391-7
Die Autorin legt einen Band gesammelter Reden aus der Zeit ihrer Kandidatur für das Amt der Bundespräsidentin zwischen November 2008 und Mai 2009 vor. Dabei handelt es sich um höchst gelehrte und zugleich ganz gegenwartsbezogene und praxisorientierte Grundsatzüberlegungen. In ihrem Vorwort aus dem Februar 2010 erläutert sie ihre Überzeugung, dass wir heute in einer Zwischenzeit leben, einer Zeit des Übergangs. Die gegenwärtige Finanzkrise sei ein Symptom eines „untilgbaren Freiheitswillens – früher gegen politische Unterdrückung, heute gegen ein anonym bezwingendes globales Konkurrenzsystem“ (8). In ihrer Rede zu Gerechtigkeit und Bildung kritisiert sie die „utilitaristische Verengung der Bildungsziele“ (46). Bildung werde dem Vorrang des ökonomischen Prinzips, einem Effizienzdenken und dem Grundsatz des ungebremsten Wettbewerbs unterworfen. So verkümmere die zweckfreie Neugier und es entstehe kein Klima des Vertrauens, sondern der Angst, den eigenen Wert als Humankapital nicht ausreichend steigern zu können. Bildung dürfe nicht nur Fach-, sondern müsse auch Persönlichkeitsbildung sein, plädiert Schwan. Mit Blick auch auf die Familienpolitik fordert sie, dass Eltern in der intensivsten Familienzeit ihre Berufstätigkeit reduzieren können müssen, „vielleicht auf zwei Drittel der üblichen Arbeitszeit – und damit die biografische rush hour zwischen dem 25. und dem 50. Lebensjahr entspannen“ (51) würden. Zudem erachtet sie ein individualisiertes Benotungssystem, das Begabungen und Lerngeschwindigkeit berücksichtige, für notwendig. In ihren Ausführungen über das soziale Europa, kritisiert Schwan, dass die Globalisierung dazu führte, dass die Staaten der EU ihre Wirtschaftsentwicklung nur noch von der Angebotsseite her dachten und die Produktionskosten senken wollten. Dies führte zu einem Konkurrenzstreben innerhalb der EU, in der, „jedes öffentliche Eigentum an Produktionsmitteln diskriminiert“ (64) werde. So fordert Schwan abschließend in Anlehnung an das Korridor-Modell von Klaus Busch eine europäische Sozialpolitik, um „annähernd einheitliche Sozialstandards in Europa zu verwirklichen“ (67).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Gesine Schwan: Wege in eine gemeinsame Zukunft. Bonn: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32055-wege-in-eine-gemeinsame-zukunft_38234, veröffentlicht am 04.05.2010. Buch-Nr.: 38234 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken