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Markus Schmitz

Kulturkritik ohne Zentrum. Edward W. Said und die Kontrapunkte kritischer Dekolonisation

Bielefeld: transcript Verlag 2008 (Postcolonial Studies 1); 431 S.; kart., 34,80 €; ISBN 978-3-89942-975-6
Geisteswiss. Diss. Münster; Gutachter: M. Stein, M. I. Diedrich. – Der Autor legt eine umfassende Rezeptionsanalyse der Arbeiten des amerikanisch-palästinensischen Literatur- und Kulturkritikers Edward W. Said vor, der sich in seinem Denken und postkolonialen Engagement bemühte, kulturelle und politische Debatten zusammenzuführen. Es handelt sich somit um eine intellektuelle Biografie, die besonders die arabische Diskurssituation berücksichtigt und damit eine Perspektive cross-kultureller Wirkung eröffnet. Unter Berücksichtigung der akademischen Kritik, der Geschichtswissenschaft, der politischen Theorie, aber auch journalistischer und literarischer Stimmen lotet Schmitz die emanzipatorischen Potenziale im Denken Saids aus. Zunächst einmal erläutert der Autor die Grundbedingungen für Saids Denken. Dazu zählt die Erkenntnis, dass „die barbarisierte fremde Existenz zum identitätsstiftenden Gegenpol des eigenen (Bewusst-)Seins erklärt“ wird und damit „gleichsam die notwendige Krise einer eurozentrischen Menschheitsidee illustriert“ (13). Diese kritische Haltung gegenüber westlicher Perspektive kontextualisiert der Autor mit den dekonstruktivistischen Arbeiten Spivaks, nach denen eine Selbstrepräsentation des Subalternen nicht möglich ist, er gleichsam durch andere nicht sprechen könne, und mit der Kritik Aijaz Ahmads an Said, nach der Said sich als migrantischer oder exilierter Intellektueller lediglich inszeniere und in der westlichen Bildungselite akkulturiere. Dem Kulturbegriff muss in einer solchen Analyse eine zentrale Stellung zukommen. Daher erläutert Schmitz, dass er „nicht zwischen Kultur als ontologischem Gegenstand und Kritik als analytischer Referenz“ unterscheide, sondern „beide als gleichermaßen sprachlich-ästhetische wie politisch-materielle Praktiken symbolischer Bedeutungsherstellung“ (23) begreife. Von dieser Basis aus gelingt es dem Autor, die zahlreichen positiven Wirkungen von Saids Schriften aufzuzeigen. Ob sie zu einer selbstkritischen „arabischen De-Orientalisierung“ (377) beitragen oder mit dem „Konzept des Wahlarabertums“ (379) folgenreiche Debatten auslösten, immer erweisen sie sich als im besten Sinne kulturkritisch.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.46 | 1.3 | 2.63 | 2.64 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Markus Schmitz: Kulturkritik ohne Zentrum. Bielefeld: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29894-kulturkritik-ohne-zentrum_35416, veröffentlicht am 16.06.2009. Buch-Nr.: 35416 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken