Spätestens seit den 80er‑ und speziell in den 90er‑Jahren greifen Prozesse der Liberalisierung, Deregulierung, Privatisierung und Kommerzialisierung verstärkt auf vormals geschützte Bereiche des öffentlichen Dienstleistungssektors über. In dem Sammelband wird der Frage nachgegangen, ob sich dabei vor dem Hintergrund der Tatsache, dass diese Entwicklungen maßgeblich durch die europäische Ebene mit angestoßen wurden, eine übergreifende europäische Reorganisationsdynamik und ‑logik erkennen lässt. In der Literatur ist der jeweilige Einfluss nationaler und europäischer Faktoren nach wie vor umstritten. Die europäischen Vorgaben lassen durchaus zahlreiche Handlungsspielräume für nationale und subnationale Akteure offen, weshalb die Autoren ein besonderes Augenmerk auf das komplexe Ineinandergreifen unterschiedlicher Aspekte und Handlungsebenen lenken. Als Ergebnis eines dreijährigen Projektes der Forschungsgruppe Europäische Integration (FEI) an der Philipps‑Universität Marburg eröffnet der Band eine doppelte Vergleichsperspektive: Zum einen erlauben die versammelten 10 Länderfallstudien eine vergleichende Betrachtung der Dynamiken in unterschiedlichen Mitgliedstaaten (wobei lobenswerterweise sowohl west‑ als auch osteuropäische Staaten einbezogen werden). Zum anderen werden die wichtigsten Bereiche vormals öffentlicher Infrastruktur – Telekommunikation, Post, Bahn, Energie und Wasser – gegenübergestellt. In vergleichender Perspektive zeigen die Beiträge, dass Inhalt und Ausrichtung der Prozesse nach wie vor stark umkämpft und somit auch das Ergebnis konkreter nationaler wie auch transnationaler Kräftekonstellationen sind. Trotz der damit verbundenen Pfadabhängigkeiten der nationalen Umsetzungsstrategien – die ausgesuchten Länderfallstudien repräsentieren dabei sämtliche west‑ und osteuropäischen Kapitalismus‑ und Korporatismusmodelle – lässt sich auch ein zunehmender Trend in Richtung struktureller Konvergenz, mindestens aber einer „strukturellen Gleichrichtung“ (337) erkennen.