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Gertrud Brücher

Pazifismus als Diskurs

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2008; 312 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-531-15953-9
Der Pazifismus ist infolge der neuen Situation der Globalisierung und des internationalen Terrorismus in eine Krise geraten beziehungsweise sieht sich, wie Brücher formuliert, einer ungeheuren Provokation gegenüber: Innen- und Außenpolitik, Krieger und Zivilisten, ja, Krieg und Frieden seien nicht mehr unterscheidbar. Mit welchen Widersprüchlichkeiten und Lösungsansätzen der pazifistische Diskurs der Friedenstheorie darauf reagiert, ist Gegenstand dieser Arbeit. In den ersten historisch orientierten Kapiteln arbeitet die Autorin vier typologische Varianten des Pazifismus heraus: einen kriegsphilosophischen, einen friedensphilosophischen, einen postmodernen sowie einen paradoxen Pazifismus. Dabei stellt Brücher klar, dass die Heterogenität der pazifistischen Strömungen nicht mit Naivität oder einer Blauäugigkeit der Aktivisten zu erklären ist. Dahinter stehen vielmehr die politikrelevanten Bedingungen der Moderne, „steht die theoretisch-praktische Schwierigkeit moderner Gesellschaften, das Tötungsverbot in Zeiten hinüberzuretten, die absolute Verbote nur noch als positivrechtliche, änderbare Normen anzuerkennen bereit ist“ (7). Anschaulich führt Brücher vor, wie im Falle des heute dominanten paradoxen Pazifismus „Stück für Stück [...] Gewalt als Ultima ratio wieder zugelassen“ (238) wird. Entscheidend für die Probleme und Komplexität der heutigen Pazifismusdiskurse sei das Fehlen einer Einheitssemantik, wie sie das mittelalterliche Europa noch im Christentum gefunden hatte. Abschließend konstatiert die Autorin: „Indem kategorischer Imperativ und Goldene Regel zumindest von wissenschaftlicher Seite immer weniger vom gemeinsamen Positiven, sondern eher von der Einigung auf ein zu vermeidendes Übel aus gedacht werden, ist ein Weg beschritten, der die schlimmsten Auswüchse des säkularen Fundamentalismus beschneidet“ (281).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.44 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Gertrud Brücher: Pazifismus als Diskurs Wiesbaden: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29337-pazifismus-als-diskurs_34701, veröffentlicht am 13.01.2009. Buch-Nr.: 34701 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken